Reinkarnation in Buddhismus und Hinduismus

(Anselm Grün, Leben aus dem Tod , Münsterschwarzach 1995;)

Der Benediktinermönch Anselm Grün weist daraufhin, dass aufgrund dessen, dass es ein letzte Gewissheit, was im Tode geschieht, nicht gibt, auch das Modell der Reinkarnation (wie es Buddhismus und Hinduismus lehren) eine gewisse Berechtigung hat.

Grün sieht die Gründe, warum die Reinkarnationslehre so viele Anhänger hat einerseits in der Unanschaulichkeit mit der die christliche Theologie das Thema behandelt, andererseits in der Weigerung etwas für verbindlich zu halten und der Weigerung die Einmaligkeit und Endgültigkeit des Lebens zu akzeptieren.

In jeder Religion hängt die Vorstellung vom Leben nach dem Tod auch mit dem Gottes- und Menschenbild zusammen.

Buddhismus

Im Buddhismus ist die Reinkarnation ein Fluch und nicht das Ziel unseres Lebens. Der Buddhist sehnt sich nach der Lösung von der Verhaftung an diese Welt, welche die Ursache allen Übels ist. Nur der muss nochmals ins Rad der Wiedergeburt, der den Sprung ins Nirwana nicht schafft. Daher begleiten die Buddhisten den Sterbenden vor seinem Tod und noch 40 Tage danach, damit ihm der Sprung ins Nirwana gelingt.

Wiedergeburt heißt für den Buddhisten nicht, dass dieser konkrete Mensch nochmals von vorne anfangen muss, sondern das Karma dieses Menschen gelangt an den Muttermund einer gebärenden Frau. Es gibt also eine Auswirkung des Toten auf die Nächstgeborenen.

Der Buddhismus kennt also keine persönliche Wiedergeburt, wie sie Rudolf Steiner lehrt, aber er lehrt die Auswirkungen des Sterbens eines Menschen auf die Nachgeborenen. Nirwana bedeutet, dass der Sterbende ein Stück Welt für Gott verwandelt und erlöst, Karma, dass Unerlöstes, Unerledigtes, Dunkles sich weiter auswirkt auf die Geburt anderer Menschen.

Auch vom christlichen Standpunkt aus sind wir nicht nur für uns selbst verantwortlich, sondern auch für die Menschen um uns herum und nach uns. Wenn unser Leben von Gottes Geist verwandelt wird, dann wird unser Licht auch nach unserem Tod weiterleuchten. Und umgekehrt: wenn wir an unserer Wahrheit vorbeileben, wenn wir mit verdrängten Problemen sterben, wird das Unerledigte sich auf die Kommenden negativ auswirken. Die christliche Theologie hat das mit der Lehre von der Erbsünde zu erklären versucht. Wir sind von den Sünden beeinflusst, die unsere Väter verübt haben. Das Schicksal der Lebenden scheint oft bestimmt von den unerledigten Aufgaben der Vorfahren. C.G. Jung spricht vom kollektiven Unbewussten, andere sprechen vom Fluch (vgl. griechische Mythen und Sagen), der aus der Vergangenheit auf einem Geschlecht lastet.Das Reinkarnationsmodell will erklären, warum wir von der Vergangenheit beeinflusst sind.

Für Christen ist das jedoch keine zwingende Notwendigkeit, denn es gibt immer auch die Vergebung und den Neuanfang, den uns Gott schenkt. Die Reinkarnationstherapie, die Menschen in frühere Leben zurückführt, hält Grün für eine Flucht vor der gegenwärtigen Realität.

Hinduismus

Im Hinduismus gibt es (im Unterschied zum Buddhismus)auch den Glauben an die persönliche Wiedergeburt des Menschen. Was meint der Hinduismus damit? Der Hinduismus ist fasziniert vom Gedanken der All-Einheit. Die Welt ist nur Schein. Sie ist nur wirklich, insofern sie am all-einen Absoluten, am Brahma, teilhat. Die von Ewigkeit existierenden Seelen gehen nun aus einem verfallenden Leib in einen neuen Mutterschoß ein und werden aufs Neue wiedergeboren.

Mit dieser Lehre will der Hinduismus die Frage nach der gerechten Vergeltung (Karma) beantworten. Wenn ein Mensch leidet, dann hat das Gründe in seiner früheren Existenz und diese Schuld muss abbezahlt werden.

Das Christentum hat auf die Frage nach der angemessenen Vergeltung die befreiende Antwort vom Sühnetod Jesu gegeben. Auch wenn der Begriff Sühne für uns Heutige belastet ist, so hat die frühe Kirche damit den ewigen Kreislauf von Schuld und Sühne durchbrochen.

Zum anderen will der Hinduismus mit seiner Reinkarnationslehre den Vorrang des Geistigen vor dem Materiellen betonen. (ganz platonisch) Das eigentliche ist die ewige Seele, die sich immer wieder neu inkarniert. Grün meint, vom Hinduismus könne man die Leidenschaft für die göttliche Läuterung und Verwandlung lernen. Gott selbst soll rein im Abbild der Schöpfung und im Abbild des Menschen aufscheinen.

Insgesamt sieht Grün jedoch in der Reinkarnationslehre Gottes Wirkmächtigkeit zu klein an und überschätzt das Wollen des Menschen, der glaubt sich durch Askese und Meditation immer höher zu entwickeln, so dass er im Tod in Gott hineinverwandelt wird. Außerdem ist die Reinkarnation von einem Gesetzesdenken geprägt, die nicht dem Geist des Evangeliums entspricht.

(Text von Gustav Schädlich-Buter)