Asche

Im kirchlichen Raum ist der Beginn der Fastenzeit durch das Ritual der Aschenauflegung markiert. Dem Gläubigen wird dabei ein Aschenkreuz auf die Stirn gezeichnet mit den Worten: „Bedenke Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst.“

Die Symbolhandlung mit der „Asche“ weist auf eine Grunderfahrung des Menschen, die in unserer kapitalistischen Wertewelt des Aufstiegs, der Stärke, Effizienz und Schönheit zunehmend verdrängt wird: Sterben, Vergänglichkeit, Scheitern, Trauer, Niederlagen und Leiden gehören zum menschlichen Leben. Ohne die Erfahrung des „Abstiegs“, ohne zu erfahren, dass das menschliche Leben mit Wunden, Enttäuschung und Grenzen verbunden ist, dass es körperliche und geistige Krankheit ebenso gibt wie Lethargie und Unglück aller Art, wird der Mensch, zumal der junge Mann, der Gier eines grenzenlosen „Mehr“ auf allen Gebieten ausgeliefert sein. Ein nirgendwo mehr sein Maß findendes Individuum führt zu einer gnadenlos unbarmherzigen Gesellschaft, in der das Recht der Starken und Stärksten keinen Platz lässt für schwaches, krankes und behindertes Leben und für zwischenmenschlichen Beziehung außerhalb der Ebenen von Geschäft und Gegengeschäft.

Der Zugang zu inneren Werten, zur Gefühlswelt, die Sorge um die Familie ist dabei vielfach verloren gegangen und durch „Marktwerte“ ersetzt.

Die spirituelle Krise des Mannes ist an allen Ecken augenfällig sichtbar. Wer viele Jahre seines Lebens für Aufstieg und Selbstdarstellung verwendet hat, der wird sich von einem Aschenkreuz, das auf die Notwendigkeit des Abstiegs und der Demut weist, nicht wirklich betreffen lassen. Er wird die Weisheit nicht annähernd verstehen, die im paulinischen Paradox steckt , „dass ich stark bin, wenn ich schwach bin.“ (2 Kor.12, 10).

Urvölker auf der ganzen Welt, wussten zu allen Zeiten, dass vor allem junge Männer (die weder die Schmerzen der Menstruation noch der Geburt erleben) den „Pfad des Abstiegs“(R.Rohr, Vom wilden Mann zum weisen Mann, München 2006)) gelehrt werden müssen; denn das Leben selbst initiiert nur manchmal durch Krankheit , Niederlage und wenn sich die "Träume" in Asche auflösen.

Die Initiationsrituale hatten folgenden Sinn:

  1. das Machtstreben des jungen Mannes sollte gereinigt werden, dass er fähig wird seine Kraft jenseits egoistischer Ziele einzusetzen.
  2. Sein Blick sollte vom Außen auf die Welt des Inneren gelenkt werden: Wer bin ich ? Woher komme ich? Wohin gehe ich? Wofür ist mein Leben gut? (was ist mir wirklich wichtig und „wert“-voll? Woran möchte ich mich orientieren? Wohin zieht mich meine Sehnsucht?)
  3. Der Initiand sollte einen angemessenen Platz im Stamm , d.h. in der Gesellschaft und Welt erhalten. (vgl. R.Rohr, a.a.O.)

Das Ritual des Aschenkreuzes, wenngleich als kirchliches Ritual verharmlost und verschönert, enthält noch Reste einer ursprünglichen Initiation. Der Initiand musste sich dabei in der Asche wälzen und diese essen, um leibhaft zu spüren, dass das Leben mit Trauer, Versagen, Schatten, Schwäche und Abstieg konfrontiert. Wer sich dieser Seite des Lebens nicht bewusst wird, bleibt ein naiver Mann, der genau wie Ikarus, auf die Sonne zufliegt und dabei seinen Schatten nicht erkennt. (vgl. Robert Bly, Der Eisenhans) Im Absturz holt jener ihn ein.

Ohne die Erfahrung der Asche bleiben wir auch geistig in einer unerwachsenen Welt voller Einkaufszentren, Vergnügungsparks, Disneylandschaften- und Wellnesskulturen gefangen.

Impulse

  • Was in meinem Leben habe ich zu betrauern?
  • Was sind die Schattenseiten meines Lebens?

Literatur

  • R. Rohr, Vom wilden Mann zum weisen Mann, München 2006
  • R. Rohr, Masken des Maskulinen, Neue Reden zur Männerbefreiung
  • R. Bly, Ein Buch über Männer2005

(Text von Gustav Schädlich-Buter)