Auferstehung

Der Evangelist Markus berichtet folgende Geschichte: im Haus des Synagogenvorstehers Jairus ist großes Wehklagen und Geheul. Dessen 12jährige Tochter ist anscheinend gerade gestorben. Der herbeigerufene Jesus aber behauptet, dass das Mädchen nicht tot ist, sondern nur schläft. Die Leute verlachen ihn. Jesus nimmt das Mädchen an der Hand und sagt: „Talita kumi!“, was soviel bedeutet wie: „Mädchen, ich sage dir: Steh auf!“ Und tatsächlich das Mädchen erhebt sich und geht umher. (vgl. Mk 5, 21)

Der Theologe F. Steffensky weist mit Recht daraufhin, dass Jesu Größe vor allem darin bestanden hat, dass er nicht an den Tod glaubte und die Augenscheinlichkeit des Todes bezweifelte.

An Jesus Christus glauben, bedeutet nicht in erster Linie ihn anzubeten, sondern ihm nachzufolgen. An Jesu Christi Auferstehung zu glauben, heißt mit ihm eintreten in dessen Bewegung für das Leben, in jene größere Hoffnung, die den vielen Mächten des Todes widersteht.

Jesus Christus ist nicht nur auferstanden in ein Jenseits, sondern in seine "Jünger", in all die Frauen und Männer damals und heute, die von seinem Leben angesteckt und begeistert sind. Er ist auferstanden in unsere Welt hinein als unsere Zukunft. Und er ist auferstanden als der immer wieder neu Motivierende, wenn Zweifel, Gleichgültigkeit oder innerer Rückzug uns „versuchen“.

An der Auferstehungshoffnung teilhaben und der Todesmacht widerstehen, bedeutet aufrecht gehen lernen, die Augen geöffnet bekommen, die Augen anderer öffnen, wirklich zuhören, andere trösten, das Recht für die Schwachen einklagen, deren Wunden „verpflastern“ und seine einmalige Stimme erheben für die Würde des Menschen.

Auferstehungshoffnung finde ich dort, wo nahezu unheilbar Zerrüttete und Zerstrittene einander vergeben können; und sie ist auch dort, wo Menschen, deren Leben wie gescheitert aussieht, es sogar sterbend in all seiner Brüchigkeit annehmen können. Ich finde sie dort, wo Menschen sich nicht für Macht verkaufen und bei dem Mann, der auf Karriere und Aufstieg verzichtet, um seinen Kollegen und Freunden nahe zu sein. Auch bei all jenen Frauen und Männern, die aus der Enge ihres Privatlebens ausgebrochen sind, um einen menschlichen Beitrag für diese unsere Welt zu leisten. Auferstehungshoffnung finde ich bei all jenen, die sich ganz unspektakulär für Kranke, Arme, Obdachlose, psychisch Kranke oder benachteiligte Jugendliche einsetzen; und denen, deren Lebensaussichten verschwunden sind, durch ihr Dasein sagen: „Steh auf! Du schaffst es!“ Diese Hoffnung spüre ich auch bei den Eltern, die heute noch Kinder großziehen, bei all den Großvätern und Großmüttern, die sich für die Zukunft ihrer Enkelkinder einsetzen, bei all jenen, die in ihrem Engagement die Schöpfung für kommende Generationen bewahren wollen. Auferstehungshoffnung finde ich bei dem Vater, der über seinen eigenen Schatten und die Fehlschläge seines Sohnes springt und die Hand der Versöhnung reicht. Ich finde sie auch bei jenen Paaren, die einander treu bleiben, selbst in den Phasen, die schwer und trocken auszuhalten sind.

Auferstehungshoffnung finde ich bei Dorothee Sölle - Theologin und Friedenskämpferin, die schreibt:

„Ich versuche mein Leben in der Anteilnahme zu erhalten, ich will das nicht mitmachen: dieses Sich-Anbiedern, dieses Sich - Einteilen, dieses Sich-In-den -passenden –Zusammenhang –Rücken, dieses Sich-Gewöhnen an das Unrecht, weil es häufig ist und überall vorkommt.“ (vgl. D.Sölle, Das Fenster der Verwundbarkeit)

Ostern ist für mich eine tiefe Erinnerung daran, dass Jesus weiterlebt in all jenen, die „auf-stehen“, sich den vielfältigen Formen des Todes widersetzen und dabei sich weigern an den Tod zu glauben. Er möchte in mir, in dir, in uns allen aufstehen und uns zum Leben bewegen.

Impulse

  • Wo in meinem konkreten Leben habe ich Auferstehung erlebt?
  • Wo vermittle ich Auferstehungshoffnung?

Literatur

  • Dorothee Sölle, das Fenster der Verwundbarkeit, Theologisch-politische Texte, 1988

 

(Text von Gustav Schädlich-Buter)