Beten

Wer sind wir als Beter? Was ist unser Beten?

Sobald wir anfangen zu beten, liefern wir uns aus an das Geheimnis unseres Lebens. Betend überlasse ich mich der Macht, die mir gratis und „umsonst“ (gratuite) dieses Leben gegeben hat; die mich ins Leben „gerufen“hat.

Gebet ist zuallererst ein Verzicht. Gebet ist der Verzicht auf mich selbst (in einem egoistischen Sinn), Verzicht auf das „Ich will“, auf Kontrolle und Machtausübung; also Verzicht darauf, mein eigenes Zentrum zu bilden.

Im Gebet mache ich deutlich, ich genüge mir selbst nicht und betend verzichte ich darauf, mein „eigener Liebhaber und Schönfinder“ (F. Steffensky) zu sein. Im Gebet gebe ich zu, dass ich nicht mein Schöpfer und Erbauer bin; aber auch, dass die Gabe meines Lebens durch nichts und aber nichts gerechtfertigt werden muss; durch keine Leistung, keine vorweisbare Stärke, auch nicht durch mein „Gut-sein“, zumal wir alle ein Gemisch aus „Gut und Böse“ sind.

Beten heißt sich beschenken lassen. Betend nehme ich das mir von Gott geschenkte Leben an, ich lasse mich beschenken, beatmen und lieben. Ich nehme die Gnade Gottes an statt auf meine eigene Stärke und Kraft zu bauen.

Im Gebet geht es nicht um schöne, endlose Worte, mit welchen der Beter sich selbst beweihräuchert. Im Gebet geht es einzig darum, Gott Gott sein zu lassen und das eigene Lebens in den Blick von Gottes Güte und Barmherzigkeit zu halten. Wer im Gebet wächst, wird wohl immer mehr einwilligen ins „Passiv-sein“, in ein „Sich –Anheimgeben“ an eine gütige Macht und dabei immer mehr auf eigenes Reden und Handeln verzichten.

Beten heißt immer auch einen Raum betreten, der nicht von mir selbst besetzt ist und darauf vertrauen, dass „Gottes Geist“, der trotz aller meiner Nöte, Sorgen, Ängste und Gedanken in mir wohnt, wirkt und für mich betet; manchmal mit unaussprechlichen Seufzern. (vgl. Röm 8, 26) Gottes Geist betet manchmal in mir ohne dass ich es weiß.

Viele fragen zu Recht: was nützen schon all unsere Gebete angesichts so vieler scheinbar unerhörter Rufe und Schreie in Ausschwitz, Stalingrad, Vietnam, in den Slums und in den Hungersgebieten dieser Welt oder in Krankenhäusern, in denen die erhofften Wunder ausgeblieben sind?

Vielleicht ist das Gebet die letzte und zentrale Möglichkeit, um es in den Ausweglosigkeiten, Widersprüchen, Verletzungen und Anfeindungen des Lebens auszuhalten und nicht zu verstummen. Auch die schärfste Gottesanklage setzt ja noch das Vertrauen voraus, dass es ein Gehör gibt. Alle nicht erhörten Gebete und Schreie finden sich wieder im Todesschrei Jesu, der Zeugnis davon ablegt, dass der Mensch sich nicht selbst befreien und retten kann.

Der Betende überlässt sich Gott ganz, auch noch mit seinem Schmerz und seiner Verwundung. Er betet auch in der Vergeblichkeit, weil er darauf vertraut, dass alle Gebete erhört sind, im Raum der Liebe, die im Triumph des Irrsinns dieser Welt oft genug ohnmächtig bleiben. Die erhörten und die unerhörten Gebete bleiben gegründet im „Umsonst der Liebe“ (F. Ulrich), die das einzig Notwendige ist.

Impulse

  • Suche eine ruhigen Ort und überlasse Dich mit deinem ganzen Dasein den gütigen und barmherzigen Augen Gottes (wenn du nicht glauben kannst , dann tu so als ob!).
  • Stell Dir vor, dass Er Dich mit liebevollen Augen anschaut.

Literatur

  • Ferdinand Ulrich, Leben in der Einheit von Leben und Tod, Einsiedeln 1999 und Gebet als geschöpflicher Grundakt, 1973
  • Franz Jalics, Lernen wir beten, 2010
  • Anselm Grün, Gebet als Begegnung, Münsterschwarzach1990

(Text von Gustav Schädlich-Buter)