Christliche Feste und ihre heilende Bedeutung

Literatur: Anselm Grün, Michael Reepen „Heilendes Kirchenjahr“, das Kirchenjahr als Psychodrama, Münsterschwarzach 1985)

Nicht wenige Menschen wissen heute nicht mehr um die Bedeutung der christlichen Feste, die das sogenannte Kirchenjahr aufweist. Deren Interesse ist vielfach nicht bloß aus informativer Neugier gespeist, sondern existentieller Natur und gründet in einer echten spirituellen Sehnsucht. Aus diesem Grunde will ich ein Büchlein von A. Grün referieren, das er zusammen mit Michael Reepen OSB bereits 1985 geschrieben hat. Es trägt den Titel „Heilendes Kirchenjahr“, das Kirchenjahr als Psychodrama, Münsterschwarzach 1985) und versucht das Kirchenjahr als ein Psychodrama zu verstehen, in dem „unsere Seele sich selbst darstellt mit allen Höhen und Tiefen.“ (8)

Oft genug spalten wir im Alltag Gefühle und Gedanken ins Unbewußte ab. Durch die unterschiedlichen christlichen Feste mit ihren Bildern und liturgischen Symbolen bekomme nun das ins Unbewußte Verdrängte, die Möglichkeit, bewusst zu werden und sich auszudrücken. So kann z.B. die Darstellung der Kreuzwegszenen zu einem Mysterienspiel werden, bei dem man kein bloßer Zuschauer mehr ist, sondern selbst innerlich beteiligt und mitspielt.( 10)

Leider sei Liturgie als heiliges Spiel wie R. Guardini schon 1918 herausgearbeitet hat (vgl. R. Guardini, Vom Geist der Liturgie, Freiburg 1921) heute allzu oft verzweckt und es gebe dann den „Mediensonntag, den Caritassonntag ...“ (11)

A. Grün und Reepen`s Anliegen ist es, dass möglichst viele spüren sollen, dass Liturgie und die Feste des Kirchenjahres etwas mit dem eigenen Leben zu tun haben und die Seele zum Vorschein bringen sollen; deshalb betonen sie wie wichtig Gebärden, Meditation von Symbolen, Ritus bei der Feier der Liturgie ist. Auf den Bezug zwischen Kirchenjahr und der Entwicklung der menschlichen Seele, habe schon C.G. Jung hingewiesen. „Jung meint, wer den Weg der Selbstwerdung geht, der erlebt die gleichen Stationen, die ihm die Liturgie des Kirchenjahres immer wieder vor Augen führt. Und insofern ist das ganze Kirchenjahr für Jung ein Heilssystem, ein System von Riten, die den Menschen heilen, eine Schule für die Erlernung der Kunst des Lebens, eine Initiation in die Menschwerdung. Jung nennt die Riten des Kirchenjahres ´Methoden geistiger Hygiene` und spricht ihnen auch heute noch ´psychotherapeutische Bedeutung` zu.“ (14)

Wichtig ist nun aber auch, dass Grün/Reepen noch auf eine andere Dimension verweisen, wodurch Liturgie mehr ist als bloße Selbstdarstellung der eigenen Psyche.

„Gott handelt an uns. Im Spiel lassen wir Gott Raum, dass er uns etwas Neues aufzeigt und uns neu macht.“ (15)

In der liturgischen Feier durchbreche der Mensch bewusst seinen Alltag und trinke aus der Quelle des Lebens. Dabei war für die Alten das Feiern eines Festes immer damit verbunden, dass man Bezug nahm auf etwas, „das außerhalb von ihnen lag, eine Tat Gottes, eine Heilstat.“ (17) im Unterschied zur Feier einer Party, auf die ich gerade Lust habe. Dieser Gottesbezug erinnerte die Menschen auch an ihre je eigene Würde und die Wurzeln, aus denen sie lebten.

Viele christliche Feste haben einen Bezug zum Kreislauf der Natur.

„An der Wurzel mancher christlicher Feste steht noch ein heidnisches Naturfest....die Verbundenheit des Kirchenjahres mit dem Rhythmus der Natur ist für uns heilsam...Wenn wir Ostern feiern, so bekräftigt das Aufblühen der der Natur das in der Auferstehung Christi aufgebrochene Leben...Wir sind eingebettet in die Natur....Naturgemäß leben heißt auch, dem Wesen unserer Seele gemäß leben“ (18)

Das zyklische Kirchenjahr sei der Kreislauf des göttlichen Lebens, wobei die jährlich Wiederholung nicht ödes Einerlei bedeute, sondern dem Jahr ein heimatliche Struktur gebe, eine Ahnung von Teilhabe am Ewigen. (vgl. 19)

Im folgenden beschreiben Grün/Reepen die wichtigsten christlichen Feste des Kirchenjahres mit der Intention sie so verstehen zu lernen, „dass man davon leben kann.“ (21)

Der Weihnachtsfestkreis

(vgl. Grün, Heilendes Kirchenjahr, a.a.O, 22-39)

1. Advent

Mit dem Advent beginnt das Kirchenjahr und sollte als Zeit des Wartens, eine Zeit der Stille sein, in der man der Geschäftigkeit fliehen und all die bedrängenden Sorgen abwerfen sollte. Sich hinsetzen, in sich hineinhorchen, seine Sehnsucht spüren, beten, wachen wie es der Psalm 130 ausdrückt: „´Meine Seele wartet auf den Herrn, mehr als die Wächter am Morgen.`“ (23)

Schon das menschliche Warten und Erwarten einer anderen Person zeige, dass die damit verbundene Sehnsucht des Wiedersehens des Ersehnten die tatsächliche Erfüllung oftmals übersteige. So werde im Advent bewusst vier Wochen lang die Sehnsucht gefeiert und bekomme dadurch eine positive Funktion.

„Im Advent stellen wir uns der Realität und zugleich unseren Sehnsüchten, die die Wirklichkeit unseres Lebens übersteigen. Wir bekennen, dass unsere Sehnsucht so groß ist, dass sie uns nichts und niemand erfüllen kann.“ (24)

Wer versuche seine Sehnsucht selbst zu beruhigen gerate leicht in die Sucht nach einem „Mehr “ an Erfolgen, Genuss, Zuwendung, Liebe ... und überfordere sich selbst und andere damit.

Die Adventszeit ist auch die Zeit, in der wir uns bewusst den Enttäuschungen und der Durchschnittlichkeit unseres Lebens stellen können, auch den unbefriedigten Bedürfnissen und Wünschen.

Die Adventszeit sei aber auch die Zeit der großen biblischen Träume und Verheißungen wie wir sie z.B. beim Propheten Jesaja finden: Von den Schwertern, die zu Pflugscharen umgeschmiedet werden, vom Wasser in der Wüste ...“ Es sind die Träume Gottes von uns. Und wir träumen uns im Advent in Gottes Träume von uns hinein, um unsere eigenen Möglichkeiten mehr und mehr zuzulassen.“ (27) In der Bibel finden wir aber auch Worte des Trostes und der Angstberuhigung, wenn vom Licht die Rede ist, das in unsere Dunkelheit hineinleuchtet (vgl. Jes 9,1) und Wärme bringt in die Kälte des Winters, Symbol für die Kälte der Herzen und die frostige Atmosphäre zwischen Menschen. Grün empfiehlt sich in der Adventszeit öfters vor eine brennende Kerze zu setzen und seiner Sehnsucht nach Wärme, Liebe und Geborgenheit nach zu spüren.(28)

2. Weihnachten

An Weihnachten wird die Geburt Jesu Christi gefeiert, ein Fest, das mehr sei als bloße Erinnerung an bereits Vergangenes; es sei vielmehr die Feier unseres eigenen Anfangs, der Beginn unserer Erlösung und Rettung, die Erfüllung all unserer Sehnsucht, in der wir wie Augustinus sagt, Gott Mensch geworden ist, „´um den Menschen zu vergöttlichen`“. (29)

„Wir brauchen viele Symbole, um gegen die Macht der Fakten an das Geheimnis zu glauben, dass Gott in unsere Welt gekommen ist. Wir stellen Christbäume auf, zünden Kerzen an, wir singen Weihnachtslieder, die in Bildern das Geheimnis der Menschwerdung Gottes künden und in ihren trauten Melodien etwas davon vermitteln, dass unsere Welt anders geworden ist durch Gottes Kommen, dass wir uns in ihr ein Stück weit zuhause fühlen können.“ (30)

In diesem Fest werde uns auch vor Augen geführt, dass Gott in einem Stallgeboren werde, d.h. wie C.G. Jung meint, in den wenig vornehmen Teilen unserer Seele und dort wo unser Schatten ( das Dunkle, das Durcheinander, die Grenzen, Schwächen und das Unreine) liege. Das Kommen Gottes können wir uns nicht erleisten, es ist und bleibt Gnade.

3. Epiphanie

Am Fest Epiphanie, Erscheinung des Herrn, werde nun das Weihnachtsgeheimnis weiter entfaltet. Gott, der anschaubar und berührbar geworden ist in einem kleinen, zarten Menschenkind. Dabei habe sich das gläubige Volk in den Sterndeutern, die sich auf den Weg machen, das göttliche Kind zu suchen, selbst gesehen und dies in vielen Legenden entfaltet. (vgl. 33) Die Sterndeuter folgen einem Stern am Firmament ihres Herzens, sie folgen ihren Ahnungen, die sie sich nicht durch vernünftige Gründe (siehe Herodes) totschlagen ließen.

Dabei stehe das Kind, das spontan lebt und sich nicht beherrschen lässt dem Herodes gegenüber, der wie ein brutaler Diktator über alle herrschen müsse, um seine eigene Angst zu bewältigen. Die Sterndeuter reagieren anders als der mörderische Herodes auf die Ahnungen ihres Herzens und folgen dem Stern, der sie zum göttlichen Kind führt. Ihre Gaben legen sie vor ihm nieder: Gold als Zeichen des Besitzes, das sie nun nicht mehr brauchen, Weihrauch als Zeichen der Sehnsucht, die zur Erfüllung gekommen ist und Myrrhe, „ein Heilkraut, das der legende nach aus dem Paradies stammt. Indem sie (die Magier oder Sterndeuter, d.V.) sich vor dem Kind vergessen und in der Anbetung aufgehen, spüren sie ihre Wunden nicht mehr. Und sie erahnen etwas von dem unverfälschten Anfang des Paradieses.“ (35) So kann das Fest Epiphanie „´zur abenteuerlichen Reise des Herzen zu Gott`“ werden wie Karl Rahner von Grün/Reepen zitiert werden. (35)

4. Taufe Jesu

In diesem Fest wird das Erscheinen Gottes in der Schöpfung und in der Schuld und Sünde des Menschen gefeiert. Grün zitiert Proklos, der in einer Predigt schreibt:

„´Christus ist der Welt erschienen, hat die ungeordnete Welt des Chaos geordnet und sie hell und froh gemacht...`“ (36)

Und weiter:

„In der Taufe steigt Gott in die Elemente der Schöpfung und heiligt sie...In allen Dingen ist nun Gott zu finden. Und alle Elemente weisen auf ihn. Das Wasser darf nun Gottes Leben mitteilen, der Wind Gottes Geist und das Feuer Gottes Kraft.“ (37)

Das Hineinsteigen Jesu in die Fluten des Jordan, um sich taufen zu lassen, bedeute symbolisch aber auch ein Hineinsteigen in die Abgründe von Schuld, Sünde, Angst und Chaos. Das Fest zeigt uns aber auch, dass mitten in unserer Dunkelheit, Angst und Schuld Gott erscheint und uns das Urwort zuspricht, das wir in der eigenen Taufe hören: „´Du bist mein geliebter Sohn`“ , meine geliebte Tochter.

Dieses Wort gilt mitten in unserem Dunkel und nicht erst nach jahrelangen moralisch-asketischen Versuchen, sich von aller Sünde zu befreien.

5. Darstellung des Herrn / Mariä Lichtmess

Während heute der Weihnachtsfestkreis mit der Taufe Jesu endet, ging die Weihnachtszeit früher bis Mariä Lichtmess, heute Fest der Darstellung des Herrn genannt. (38)

Maria übergebe bei diesem Fest ihr Kind Gott; sie lasse es los und empfange es zugleich neu.

Auch das Geschenkte müssten wir Gott wieder zurückgeben, damit wir es neu geschenkt bekommen. Insofern sei auch hier der Weg der Selbstwerdung abgebildet." So leitet dieses Fest schon über zum Osterfestkreis.

Der Osterfestkreis

(nach Anselm Grün, Heilendes Kirchenjahr, S.40-70)

1. Die Fastenzeit

Der Osterfestkreis nun beginne mit einer 40-tägigen Fastenzeit und dem Evangelium von der Versuchung Jesu in der Wüste, in der es vorrangig um zwei Themen geht, welche die Fastenzeit bestimmen: Jesu Predigt vom nahenden Reich Gottes und seine Aufforderung zur Umkehr und zum Glauben an das Evangelium. (vgl. Mk 1,15) (40).

Die Wüste erinnere an die Prüfungs- und Bewährungssituation Israels in der Wüste, in der sie geläutert wurden für das verheißene Land Gottes. Jesus Christus habe das darin enthaltene Lebensgesetz durch die Wüste zum gelobten Land in seinem eigenen Leben nachvollzogen. Für die Urchristen war das Fasten eine Möglichkeit, sich ihrer eigenen inneren „Wüste“ zu stellen, der Leere, der Einsamkeit, der Schutzlosigkeit und Hilflosigkeit, um wieder zu spüren, dass wir uns selbst nicht genügen. Dadurch könne man wieder spüren lernen, was unser eigentlicher Grund ist und welches die Quelle, in der Gottes Geist selbst sprudelt. Nur Gott selbst können unseren existentiellen Mangel ausfüllen.

„Die Liturgie nennt die Fastenzeit eine Zeit der Gnade: ´Jetzt ist die Zeit der Gnade, jetzt sind die Tage des Heiles.` Wir sollen wacher und bewusster als sonst leben...und in der Freude des Hl. Geistes das hl. Osterfest erwarten...“ (42)

2. Passionszeit

Sie beginnt in den letzten beiden Wochen vor Ostern und legt ihr Augenmerk auf die Passion und das Leiden Christi. Gerade im Nachvollzug des Leidens, im Spüren der Grenzen und der eigenen Sterblichkeit, werde der Mensch von seinem Größenwahn befreit, der im Gottgleichsein gipfelt.

„Dieser Größenwahn führt nicht bloß zu immer neuer Sünde, sondern auch in die Krankheit. Wer das Leiden an seiner endlichen Existenz nicht aushalten will, der sucht sich Ersatzleiden...In eine Angstneurose gerät einer, der meint, immer der Beste und Größte sein und alles perfekt machen zu müssen.....In der Passionszeit schauen wir auf das Leiden Jesu, um uns damit auszusöhnen, dass wir endlich und schwach sind, von anderen angefeindet und bedroht, dass unser Leben auf den Tod zuläuft. Das macht uns menschlich und befreit uns von der tiefsitzenden Angst, dass wir ja doch nicht wie Gott sein können.“ (44)

Wir könnten aufhören unsere Energie damit zu verschwenden, sich immer stark zeigen zu müssen. In der Gemeinschaft mit dem leidenden Jesu erhielten wir auch Kraft eigene Leidsituationen auszuhalten und durch unsere Leiden nicht vom Leben ausgeschlossen und isoliert zu sein.(45)

3. Karfreitag - Triduum sacrum

Die heiligen Tage Gründonnerstag, Karfreitag, Karsamstag und Ostern seien nun wohl die wichtigsten des ganzen Kirchenjahres, weil sie uns das Grundgesetz unseres Lebens vor Augen führten. Es ist auch der Weg unserer Selbstwerdung, der sich in vier Schritten vollzöge:

„Annehmen (Gründonnerstag), Loslassen (Karfreitag), Einswerden (Karsamstag), Neuwerden (Ostern).“ (46)

An Gründonnerstag werde die Einsetzung des Abendmahles gefeiert. Miteinander Mahl halten, bedeute einander annehmen. Christus gibt sich selbst im Brot und Wein und werde so eins mit dem Essenden und Trinkenden.

„Es gibt nun nichts mehr in uns, das er nicht angenommen hat.“(46)

Bei dem an Gründonnerstag eigenen Ritus der Fußwaschung beugt sich Jesus bis zu unseren Füßen herab und nimmt uns gänzlich an. Er wäscht unsere Füße wie ein Sklave, um uns von Schmutz und Schuld zu befreien.

„Die Fußwaschung zeigt uns auf anschauliche Weise, was in jeder Eucharistie geschieht, dass wir mit unserer Schuld angenommen sind...und dass wir ganz eins werden mit Christus.“ (47)

Annehmen an Gründonnerstag bedeutet auch, dass Jesus in den Willen seines Vaters einwilligt und ja sagt zu dem, was Gott ihm zumutet. An Gründonnerstag lädt die Kirche auch ein, mit Jesus zu wachen, um den eigenen Versuchungen zu widerstehen, d.h. um nicht „der Faszination der Macht, der Geltung bei andern und der Verblendung zu erliegen“ (47)

Die Liturgie des Karfreitags sei dann ein wahres Mysterienspiel, das in so dichten Riten vollzogen werde, dass redselige Worte gleichsam überflüssig erscheinen.

„Das Psychodrama beginnt mit einem tiefen Schweigen. Der Priester wirft sich zu Boden. Er muss sich vor dem Geheimnis beugen....Das Schweigen bereitet uns auf das Hörender geheimnisvollen Worte aus dem Profeten Jesaja vor: ´Er hat unsere Krankheit getragen, unsere Schmerzen auf sich geladen, durch seine Wunden sind wir geheilt.`(Jes 53,4 f).“(48)

Seine Wunden sind unsere Wunden und zugleich sind es auch die Wunden durch wie wir geheilt sind. So lasse sich die Passionsgeschichte als Geschichte der Heilung unserer Wunden verstehen. Johannes schildere in der Passionsgeschichte diese unsere Welt mit all ihrer Schuldverstrickung (Verrat, Verspottung, Schadenfreude..), aber zugleich auch deren Erlösung, weil sie zeige, dass Jesus sich in unsere unheilvolle Situationen hineingewagt hat, um sie zu erlösen.

„Am Kreuz, dort, wo unsere Wunden und unsere Nöte sich verdichten, da herrscht nun Christus als der Sieger über alles Leid.“ (49)

Auf die Passionsgeschichte folgen die großen Fürbitten, in welchen für die ganze Welt gebetet werde. Im schweigenden Niederknien werde man eins mit den Menschen, für die man bete. Nach den Fürbitten folgt die Kreuzverehrung, bei der das verhüllte Kreuz in die Kirche getragen werde und dann schrittweise mit den Worten enthüllt:

„´Seht das Holz es Kreuzes, an dem das Heil gehangen.` Und alle fallen vor dem Kreuz nieder und beten es an“ (49)

und küssen es. Es soll bis in den Leib hinein gespürt werden, dass im Zeichen der Schmach zugleich unsere Hoffnung begründet sei. Das Kreuz werde verehrt, weil es durch den Tod Christi für uns zum Symbol des Heiles geworden sei. Im archetypisch vollzogenen Ritus könnten wir dabei lernen, uns selbst loszulassen und sich ganz dem Vater zu überlassen, der uns neu schafft. (vgl.51 f.)

Am Karsamstag mutet uns die Liturgie zu, „uns einen ganzen Tag dem toten Christus im Grab zu stellen.“ (52) So habe Jesus die Radikalität des Todes am eigenen Leib erfahren und sei so vor unserer Einsamkeit, Kälte und Erstarrung nicht zurückgeschreckt. Da wo wir sonst vom Leben abgeschnitten sind, erreicht uns nun die Liebe Gottes durch seinen Sohn Jesus Christus. Er ist in das „Reich des Todes“, in unseren Schatten mit all den vorhandenen chaotischen und zerstörerischen Kräften, mit all den unter der Oberfläche in uns vorhandenen Gemeinheiten hineingestiegen, um uns zu erlösen, aber auch um das in uns abgeschnittene Leben zu befreien. Wir bräuchte das Licht Jesu Christi, um uns auf unsere eigenen Dunkelheiten (Schatten) einlassen zu können und jenen zu erhellen. (vgl. 53f.)

Der im Grab liegende Christus sei aber auch Symbol für unser im Grab festgehaltenes Leben.

„Auch wir liegen oft im Grab, im Grab unseres Selbstmitleides, unserer Resignation, unseres Stolzes. Wir bemitleiden uns, dass wir es doch so schwer haben ... So bleiben wir in unserem Grab liegen.“

„ Am Karsamstag geht es ferner um die Heilung der eigenen Lebensgeschichte, um die Heilung der Erinnerungen.“(55) Wir sollten uns dabei fragen, was an Unnützem schleppen wir mit, welche Enttäuschungen und Kränkungen belasten uns und welche Wunden tragen wir an uns, die nicht zuheilen wollen. Und: an welchen Stellen verweigern wir uns der inneren Heilung und greifen zu Ersatzbefriedigungen und Selbsttrostmitteln. Zu einer solchen Seelenhygiene lade uns der Karsamstag ein.

4. Ostern

Die Feier der Osternacht beginnt in der dunklen Kirche, ein Spiegel für die eigene Dunkelheit. Dann wird die Osterkerze in die dunkle Kirche hineingetragen, das Licht Christi leuchtet in unsere Dunkelheit, die Dunkelheit des eigenen Herzens hinein: in alle finsteren Winkel, in unsere Ängste , unsere Kälte, unsere toten und erstarrten Bereiche. Die Gläubigen reichen das Licht Christi von Kerze zu Kerze weiter. Während die Gläubigen die hellscheinende Kerze betrachten, ertönt der Gesang des Exsultet, ein Gesang voller Kraft und Leben, der erklärt, was dieses Licht bedeutet: „... Licht des großen Königs umleuchtet dich. Siehe, geschwunden ist allerorten das Dunkel ...“ Danach hören die Gläubigen im Lichtschein der Kerzen die Geschichten unserer Welt und unserer Erlösung: Die Schöpfungsgeschichte, der Auszug aus dem Land der Sklaverei ....und dann darf nach 40 Tagen erstmals wieder das Alleluja erklingen; man muss es hören und singen, damit der Mensch bis in den Leib hinein ahnen kann, was Ostern bedeutet. Im Singen können wir spüren, dass der Stein weggewälzt wird, dass die Blockaden sich auflösen, dass Raum entsteht und das Leben aufblüht, dass letztlich Christus mit mir aufersteht. Ostern ist die Feier des Lebens und die Überwindung des Todes. In uns ist das Leben stärker als der Tod, das neue Leben ist nicht mehr tot zu kriegen. In der dann folgenden Eucharistie essen und trinken wir uns in das neue Leben der Auferstehung hinein. Ostern muss man miteinander feiern und das erwachte Leben sucht nach Ausdruck wie z.B. denn Tanz., durch welchen die Osterfreude zum Ausdruck kommt.

Auch der Emmausgang (61) am Ostermontag ist eine Möglichkeit, Ostern in einem eigenen Ritual fortzusetzen. Es handelt sich dabei um ein Ritual, bei dem die Emmausgeschichte (vgl. Lukas 24,13-35) in das Leben hinein übersetzt wird. Im Miteinandergehen zu einem Ziel (Wallfahrtsort, Kapelle..)kann man spüren, dass der Auferstandene mit uns geht. Im gemeinsamen Mahl am Zielort kann man die Verbundenheit zum Auferstandenen spüren. Im Gehen kann man auch die aufblühende Natur genießen, die ebenfalls Sinnbild für das Wirken Gottes in uns ist. Nicht umsonst wird Ostern immer am ersten Sonntag nach dem Frühlingsvollmond gefeiert.

5. Christi Himmelfahrt

50 Tage lang wird von der Kirche Ostern gefeiert und diese Zeit des Feierns gipfelt in zwei Festen: Christi Himmelfahrt und Pfingsten. Jesus, der mit seinem menschlichen Leib in den Himmel aufgefahren ist und zur Rechten seines Vaters sitzt, zeigt uns das Ziel unseres Lebens an. Auch ein Teil von uns ist jenseits der Todesschwelle am Ziel angekommen. Unsere Heimat ist im Himmel. Dieses Fest will unseren Blick auf unser Ziel richten, auf den Himmel statt in den irdischen Geschäften aufzugehen. Besitz, Erfolg, Selbstbehauptung, sogar Gesundheit haben für einen so Ausgerichteten nicht mehr die höchste Priorität und er hat einen inneren Abstand dazu.

Dadurch dass Jesus gegangen ist, können wir alles verinnerlichen, was er gelebt hat, Christus kann in uns Gestalt annehmen, in unserem Herzen und ganz bei uns sein. „Christus in mir“ könnte das Meditationswort dazu sein, das sich mit dem Atem verbinden lässt.

Und wir können bewusst vom Ziel her, dem Himmel, unseren momentanen, womöglich beschwerlichen Weg gehen.

6. Pfingsten

Zwischen Christi Himmelfahrt und Pfingsten betet die Kirche eine Novene um das Kommen des Hl. Geistes. Darin bringt sie zum Ausdruck, dass ohne Gottes Geist im Menschen nichts bestehen, nichts heil und gesund sein kann. In immer neuen Bildern wird Gottes Geist in der Pfingstsequenz und im Pfingsthymnus geschildert. Ein häufig gewähltes Bild für den Heiligen Geist ist der Wind, der Atem Gottes. „Sende aus deinen Geist, hauche deinen Atem- und das Antlitz der Erde wird neu.“(vgl. Psalm 104,30) Um sich diesem Geheimnis leiblich anzunähern, kann es hilfreich sein, sich mit geschlossen Augen in den Wind zu stellen und die zärtliche Bewegung des Windes zu spüren, sich durchwehen, reinigen und bewegen zu lassen.

Ein anderes Bild für den Hl Geist ist das Feuer, der Geist, der sich in Feuerzungen auf die Apostel niederlässt. Lebendigkeit, Kraft, Liebe und Lebensfreude gehen von einem geistbewegten Menschen aus. Oft genug spüren wir in uns das Gegenteil: wir sind ohne ausreichend Kraft, ausgebrannt, leer, ohne Gefühle, ohne Schwung und sehen uns nach einer Lebensquelle, nach einer Glut, die nicht ausgeht. Schon in unserer Sehnsucht ahnen wir, dass es neben dem Ungeist in uns und in dieser Welt, einen heiligen, reinen, lauteren Geist geben müsse, der von Gott kommt. Wir sehnen uns nach einem neuen Herzen, das sich von Gottes Geist leiten lässt. H. Nouwen bemängele, dass viele Priester wie „´ausgebrannte Kanister geworden sind, ... in denen aber das Feuer des Geistes Gottes erloschen ist und aus denen nicht viel mehr herauskommt als ihre eigenen belanglosen, kleinlichen Gedanken und Gefühle.`“ (69) Und Henri Nouwen rate dazu, die Glut des Hl. Geistes gerade durch das Schweigen lebendig zu erhalten.

Der Heilige Geist ist aber auch ein Geist der Sendung, der uns beauftragt, nicht bloß für uns selbst da zu sein, sondern Gottes Botschaft zu verkünden: Leben weitergeben, Leben wecken. Der Geist gibt uns den Mut, dass wir eine Sprache finden können, die uns miteinander verbindet, eine Sprache mit den gleichen Sehnsüchten und Ahnungen. Mit dem Geruch des Geistes in der Nase können wir auch andere wachrütteln und begeistern, auch solche Menschen, von denen uns Barrieren (der Herkunft, Bildung, Status, Religion, ...) trennen.

Die Zeit nach Pfingsten

„Nach Pfingsten werden die Sonntage fortgesetzt, die zwischen Weihnachtszeit und Fastenzeit begonnen wurden.“ (71) In den Lesungen werde der Reichtum der Hl. Schrift entfaltet und wir selbst könnten uns neu sehen und verstehen lernen im Licht der Bibel. Im Hören der Heilungsgeschichte könnten wir uns unserer eigenen Krankheiten, Schwächen und Beeinträchtigungen innewerden. Die Gleichnisse Jesu vom Himmelreich könnten uns Wege eröffnen zu uns selbst und zu unserem eigentlichen Leben. In den Weisungen werden uns Möglichkeiten aufgezeigt, frei und menschlich zu leben, wenn wir die Verkrampfungen unseres Ego loslassen würden und uns auf Christus einlassen würden. In der Bergpredigt wird der neue Mensch geschildert, der in Gott seinen Grund gefunden hat und frei ist vom Zwang der Selbstbehauptung.

Die vielen Feste nach Pfingsten, sogenannte Ideenfeste, sind zumeist im Mittelalter entstanden. Mysterien aus dem Leben Jesu werden dabei gefeiert. (72)

1. Dreifaltigkeitsfest

Das Dreifaltigkeitsfest wird von der Kirche am Sonntag nach Pfingsten gefeiert. Das Geheimnis der Dreifaltigkeit weise darauf hin, dass Gott schon in sich Gemeinschaft und Beziehungsgeschehen ist und dass wir Menschen in diesen innergöttlichen Beziehungsaustausch hineingenommen sind. Der dreifaltige Gott zieht uns in seine Gemeinschaft hinein und so feiern wir am Dreifaltigkeitsfest das Geheimnis unserer Gemeinschaft mit Gott. In uns lebt der dreifaltige Gott, Vater, Sohn und Geist. Erst im Spiegel des dreifaltigen Gottes entdecken wir in unserer Seele Gottes Licht und Glanz und seine strahlende Gnade...Das Geheimnis der Dreifaltigkeit wird so zum Geheimnis auch der menschlichen Seele.(74)

2. Fronleichnam

„An Fronleichnam feiert die Kirche die Einsetzung der Eucharistie beim Abendmahl“ (74)

Dabei wird das in den Leib Christi verwandelte Brot (Verwandlung der Materie in Gott hinein) durch die Straßen getragen. In diesem Ritual, bei dem die Monstranz durch die Straßen getragen wird, soll gezeigt werden, dass Gott unsere Welt, in der wir arbeiten und leben, verwandelt. Unsere oft gottlose oder gottferne Welt erfahre so die verwandelnde Nähe Gottes. Auf dem Grund der Dinge lässt sich Gott entdecken, der Logos, der im Grunde der Schöpfung anwesend ist. Gott ist durch seine Menschwerdung in unsere Welt eingetreten.

3. Herz-Jesu-Fest

„Das Herz-Jesu-Fest zeigt uns die Liebe Gottes als eine menschliche Liebe. Gott hat ein menschliches Herz.“ (76) Das durchbohrte, also auch leidende Herz ist für alle offen und betretbar geworden und zeigt den wahren, weil liebenden Menschen; den Herzmenschen im Unterschied zu Prometheus, zu Homo Faber, der als Macher sich von nichts wirklich berühren lässt. Das Herz Jesu Fest wolle uns ermutigen, den Panzer der der Unnahbarkeit und kühlen Fassade abzulegen und uns zu öffnen, denn nur so könnten wir auch für andere heilsam sein.

„So zeigt uns das Herz Jesu den Weg zu einer heilenden Liebe und zu einem liebenden Herzen.“ (77) In der Gebärde der offenen, ausgebreiteten Arme (Kreuzgebärde), könnten wir spüren, was es bedeutet verwundbar zu sein und keinen Schutz zu haben. Dabei ließe sich aber auch entdecken, dass solche Offenheit nicht bloß verwundbar mache, sondern auch frei und stark. Zudem koste die Aufrechterhaltung schützender Panzer eine Menge Energie.

4. Christkönigsfest

Mit diesem Fest nun schließe das Kirchenjahr (78). Dabei wird Jesus als der wahre König vorgestellt.

„Wenn Lukas den am Kreuz hängenden Jesus dreimal als König bezeichnet, so will er damit zeigen, dass er sowohl das jüdische wie griechische Königsideal erfüllt ...Vor allem Johannes hat Christus als den gezeichnet, der vom Kreuz herab über die Welt herrscht. Das schein ein Paradox zu sein, da er doch hilflos am Kreuz hängt. Doch am Kreuz hat Christus den eigentlichen Feind unserer Seele besiegt, den Tod und das Böse. Und am Kreuz hat er den wahren Frieden ermöglicht, weil er die Feinde miteinander versöhnt hat ... So sagt der Epheserbrief: Denn er ist unser Friede. Er vereinte die beiden Teile und riß durch sein Sterben die trennende Wand der Feindschaft nieder ... Er stiftete Frieden und versöhnte die beiden durch das Kreuz mit Gott in einem einzigen Leib. Er hat in seiner Person die Feindschaft getötet. (Eph 2,15ff)“ (78 f.)

Das Christkönigsfest soll aber auch uns daran erinnern, dass wir königliche Menschen sind.

Von diesem Festgeheimnis des königlichen Menschseins, könnten wir etwas spüren, wenn wir uns aufrecht hinstellten und uns sagten: Ich bin ein königlicher Mensch und ich stehe in Christus, ich herrsche mit ihm über die Mächte, die uns unterdrücken wollen.

Fazit

Das kurz skizzierte Buch hatte die Absicht, das Kirchenjahr so zu beschreiben, dass man sich eingeladen fühlt, in dessen Rhythmus zu leben und sich selbst darin wieder zu finden. Menschen früherer Zeiten hätten darin viel Stärkung, Heilung und Ermutigung erfahren. Zudem könnte dieser Rhythmus des Kirchenjahres dem Einzelnen helfen, sich nicht ausschließlich von der Hektik unserer Zeit bestimmen zu lassen. Und statt die eigenen Spielchen des Selbstbetrugs und der Selbsttäuschung zu spielen, würden wir uns auf das Drama unseres Heils, auf das Drama des Heilswerkes Christi, das auch das Psychodrama unserer eigenen Seele ist, einlassen.

(Text von Gustav Schädlich-Buter)