Dankbarkeit

„Das war vielleicht eine Überraschung, als ich heute Morgen aus dem Fenster schaute und die Pfingstrosen in unserem Garten aufgeblüht sah!“ In solchen Momenten wird einem bewusst, dass das ganze Leben Geschenk ist, gratis, nicht käuflich; und diese wahrhaftige Einsicht erfüllt einen mit tiefer Dankbarkeit.

Allerdings sind wir oft genug blind für die Geschenke des Lebens, gehen achtlos, träge oder abgestumpft an den Wundern des Lebens vorbei. Wir nehmen vieles gleichgültig und selbstverständlich hin, was uns eigentlich zum Staunen bringen will.

Im wahrsten Sinn des Wortes müssen wir aufwachen, um dankbar werden zu können gegenüber dem Leben. Neben dem Intellekt, braucht es dazu auch den Willen, der uns das Geschenkhafte des Lebens auch dankbar anerkennen lässt. „Auch unser Wille muß seine Rolle übernehmen. Auch er gehört zur ganzen Fülle von Dankbarkeit. Es ist die Aufgabe des Intellekts, etwas als Geschenk zu erkennen, der Wille aber muss den Geschenkcharakter anerkennen. ... Auch gegen unseren Willen können wir etwas erkennen. Der Wille kann dem die Anerkennung verweigern, was der Intellekt sieht ... Aber nur wenn wir dieses Geschenk anerkennen, wird unser Erkennen zur Dankbarkeit führen.“ (D. Steindl-Rast, Fülle und Nichts, Die Wiedergeburt christlicher Mystik, S.17) Der Intellekt allein wittert auch allzu leicht hinter dem Geschenk eine Fallgrube oder Bestechung. „Du schenkst mir das ja nur, weil du etwas von mir willst ...!“

Es scheint etwas merkwürdig Schwieriges darin zu stecken, ein Geschenk auch als Geschenk anzuerkennen. Das scheint darin zu liegen, dass mit der Anerkenntnis des Geschenks auch eine Abhängigkeit (vgl. Impuls: Abhängigkeit) vom Geber eingestanden wird. In einer Zeit wie der unsrigen, in der Unabhängigkeit und Autonomie als Werte besonders groß geschrieben werden , hat es die Dankbarkeit besonders schwer. „Ich will es alleine schaffen!“, „Ich will für mich selbst sorgen!“, lauten heutige Lebensmottos. Doch wer ausschließlich unabhängig sein will, wird sich nicht mehr beschenken lassen und findet so auch keinen Grund zur Dankbarkeit. Ich kann mir zwar selbst etwas kaufen, ich kann mir selbst etwas leisten, ich kann mich selbst belohnen und beschenken, aber ein Geschenk ist erst dann wirklich ein Geschenk, wenn es von einem anderen kommt, der nicht ich selbst bin. Dankbarkeit geht immer über mich selbst hinaus. Denn was etwas zu einem Geschenk macht, ist eben die Tatsache, dass es gegeben ist. Und der Empfänger ist abhängig vom Geber.“ (D. Steindl-Rast, a.a.O., S.18)

Ausschließliche Abhängigkeit ist Sklaverei, ausschließliche Unabhängigkeit ist eine Illusion des stolzen Geistes, die zur Isolation und Entfremdung führt. Das in Dankbarkeit angenommene Geschenk, kann uns aus dieser Entfremdung befreien und uns in den Raum des Zusammengehörens hineinführen. Das dankbar angenommene Leben, das mir vom Schöpfer gegeben ist, verbindet mich mit allen Mitgeschöpfen und mit dem Schöpfer.

Auch der Schöpfer ist vom Geschöpf abhängig und wartet darauf dessen „Danke“ zu empfangen. Gott schenkt uns das Leben und wartet auf unsere „Danksagung“(eu-charis), durch welche das Geschenk als Geschenk anerkannt wird. „... Aber der Kreis von Dankbarkeit ist unvollkommen, solange der Geber des Geschenks nicht zum Empfänger wird: zum Empfänger des Dankes. Das größte aller Geschenke ist das Danksagen. Geben wir Geschenke, dann geben wir, was wir uns leisten können, danken wir aber, dann geben wir uns selbst. Ein Mensch, der zu einem anderen ´ich danke dir` sagt, sagt eigentlich: ´Wir gehören zusammen.` Gebender und Dankender gehören zusammen.“ (Steindl-Rast, a.a.O.,S.20)

Ich kann mich noch lebhaft an das sechsjährige Geburtstagskind erinnern, das bei jedem erhaltenen Geschenk, gleich ob groß oder klein, teuer oder billig, den oder die Gebende herzlich umarmte und freudestrahlend „Danke“ sagte und dadurch zum Ausdruck brachte: „Wir gehören zusammen“ Womöglich fühlen sich heute so viele Menschen in Beruf und Familie entfremdet, entkräftet und ausgelaugt, weil eine Kultur der Dankbarkeit kaum mehr gepflegt wird.

Impulse

  • Wofür im Leben bin ich dankbar? (bitte aufschreiben!)
  • Laden Sie Menschen zu sich ein in ihrem Geist und sagen Sie ihm/ihr, wofür Sie danken wollen.

Literatur

  • David-Steindl-Rast, Fülle und Nichts, Von innen her zum Leben erwachen, 2005

(Text von Gustav Schädlich-Buter)