Gott im Unscheinbaren

Als ich neulich in der U-Bahn zur Arbeit fuhr, fiel mir eine ältere Frau auf; sie war ärmlich gekleidet, aß ein Wurstbrot, und holte aus ihrem mit Klebebändern reparierten Tragekorb ein Flasche mit Tee, aus welcher sie trank. Ihr gegenüber ein etwa eineinhalbjähriges Kind im Kinderwagen, das ganz ruhig und aufmerksam beobachtete, was um es herum geschah. Plötzlich musste die Frau niesen und schnäuzen, was das Kind sichtlich erheiterte: es gluckste vor Freude und lachte mit strahlenden Augen. Von da an war eine Beziehung hergestellt zwischen der Frau und dem Kind: freundliche Blicke tauschten sich aus, immer wieder ein kurzes, fast verschämtes, aber aus einer unergründlichen Tiefe kommendes Lächeln von der Frau und ein gleichbleibendes Strahlen des Kindes. Alles hatte sich verändert. Wer die Spuren Gottes in dieser Welt sucht, hatte sie hier deutlich gezeigt bekommen, deutlicher als in manch großem Festgottesdienst oder einer öffentlichkeitswirksamen Prozession. Diese beiden „Kleinen“ waren für mich an diesem Tag Verkündiger der „verborgenen Weisheit Gottes“ (1 Kor 2,7).

Impuls

  • Gehen Sie heute mit offenen Augen und Ohren durch die „Welt“! Wo lassen sich Gottes Spuren finden?

(Text von Gustav Schädlich-Buter)