Gottesbeziehung

In der gegenwärtigen esoterischen Literatur ist Gott anders als in der jüdisch-christlichen Tradition zum Göttlichen in uns geworden. Es wird suggeriert, dass ich selbst und alles letztlich göttlich ist. Dieser Einheitsphilosophie steht der christliche Gedanke der Beziehung zwischen Gott und Mensch gegenüber. Sicherlich macht es wenig Sinn, sich über unterschiedliche Gottesbilder zu streiten, da Gott immer anders ist als unsere Vorstellungen und kein Bild ihn letztlich abbilden kann. Dennoch scheint es heute mehr denn je notwendig darauf hinzuweisen, dass ich mit Gott in Beziehung treten kann, dass ich seine Wirkung auf mich spüren kann. Für das Wahrnehmen Gottes scheinen personale Kategorien immer noch am geeignetsten, zumal für Christen die Person Jesu durch sein Leben gezeigt hat wie Gott ist: barmherzig, vergebend, heilend, herausrufend, ermutigend ...

Woran glaube ich?

All die philosophischen Versuche, Gott als absoluten Urgrund zu fassen, befriedigen mich nicht. Ich mag mich auch nicht damit begnügen, eine kurzfristige Welle im Meer zu sein. Mein „Ich“, meine Person ist mehr als die Illusion eines unerleuchteten Geistes, das sich sowieso irgendwann im Nirwana ununterscheidbar auflöst. Gott ist für mich auch kein stummer, in sich verschlossener Weltenherrscher, der selbstgenügsam in sich ruht und auf niemanden angewiesen ist.

Gott ist Beziehung, Gott ist Wort („Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.“ Joh 1,1), Gott spricht mich an, er meint mich und erfüllt meine Sehnsucht mit meinem Namen gerufen zu werden. Gott teilt sich mit, Gott ist mitteilungsbedürftig, Gott ist Liebe, Gott liebt mich, er selbst ist auch liebesbedürftig. Er sprudelt über in seiner Liebe zu uns Menschen und zur Schöpfung. Er sehnt sich nach unserer Antwort.

Das christliche Dogma der Dreifaltigkeit will uns darauf hinweisen, dass die Welt in ihrem Grund nicht absolut eins sei, sondern aus der unfassbaren Kraft des „Zwischen“, aus der Erotik der Beziehung hervorgerufen wird.(vgl. B. Schellenberger) Noch besser als Dogmen können Liebeslieder und Liebesgedichte dieses hin und her zwischen Gott und Mensch, zwischen „Ihm“ und mir ausdrücken. Ich bin angeschaut von den liebenden Augen eines Anderen, ich werde gerufen und gehört, ich höre, ich schaue, ich antworte, ich rufe - manchmal in großer Not oder in Verlassenheit - ich bete, weil ich mir selbst nicht genüge, auch wenn meine Worte, je tiefer sie werden ins beredte Schweigen übergehen können.

Im „beatmeten Zwischenraum “zwischen „Himmel und Erde“, zwischen Gott und meiner Seele wird Liebe, Gnade, Vergebung und Erlösung geschenkt.

Impulse

  • Was meine ich, wenn ich Gott sage?
  • Mit welchem Bild/Vorstellung oder Nicht-Bild nähere ich mich dem Gottesbegriff an?
  • Wie bestimme ich mein Verhältnis zu „Ihm“?

Literatur

  • Bernardin Schellenberger, Auf den Wegen der Sehnsucht, Freiburg im Br. 2004
  • M. Dufner, Gottestäter, Die Gefahr negativer Gottesbilder, Münsterschwarzach 2012
  • Karl Frielingsdorf, Dämonische Gottesbilder, Mainz 1992

(Text von Gustav Schädlich-Buter)