Heimreise

Mit Armut, Verlust und schwerer Krankheit fallen die Masken ab, an denen wir oft viele Jahre unseres Lebens mit großer Lebensenergie gebastelt haben; mit der Maske wird ein Selbst offenbar, das nur auf Schein beruht, ein mentales Selbstbild, dem wir entsprechen wollten; eine gesellschaftlich Konstruktion, der wir gefolgt sind. Das falsche Selbst ist letztlich ohne Substanz; es ist die Fiktion eines Lebens, das ausschließlich mit Rolle, Status, Macht, Geld und Ansehen identifiziert ist.

Lange Zeit unseres Lebens verbringen wir damit, Fassaden zu bauen und zu erhalten. Solange das falsche Selbst in unserem Leben Regie führt, kreisen wir um uns selbst, polieren unsere Fassade, scheffeln Geld, spielen Machtspiele und üben Ellbogendenken, leben in nutzlosen Phantasien, Sorgen und negativen Gefühlen; sind Süchten aller Art ausgeliefert, und flüchten in Äußerlichkeiten und Zerstreuungen. Das illusorische „Privat-Ich“ hat in unserer modernen Konsum- und Überflussgesellschaft einen riskanten Freiheitsfahrschein ausgestellt bekommen, der uns oft weit wegführt von dem, was uns wirklich angeht.

Durch Grenzerfahrungen oder „Grad in der Mitte unserer Lebensreise“ (vgl. Dante; Die Göttliche Komödie) kann es nun passieren, dass wir in einen „dunklen Wald“ geraten; dass unsere bisherige Lebensstrukturen und Werte nicht mehr tragen, dass unsere Fassaden abfallen wie verwelkte Blätter von Bäumen. Das kann schmerzhaft und befreiend zugleich sein; denn oft genug werden wir dadurch in eine Richtung gezogen, die man als wahres Selbst, als wahre Identität bezeichnen könnte, durch welche wir Anteil haben an der „göttlichen Natur“ (2 Petr.1,4) und durch die wir ahnen, was wir „verborgen in Gott“ (Kol 3,3) sind.

Wer in diese Richtung sich bewegt, ist auf dem „Heimweg“. Er verlässt die „Türme“, in welche er sich verstiegen oder verschanzt hat, er verlässt die „Täler“, in denen er sich verirrt hat und geht nach Hause. Adam, der Mensch Adam - auf den Grund gekommen, weil zugrunde gegangen - kehrt zum „Ursprung“ zurück, sieht sein Leben sich wandeln, wird von der Ichbezogenheit zur Gottbezogenheit ge-kehrt.

Und manchmal ist der Verlust von Besitz, Ansehen und Gesundheit die Erinnerung daran, dass es diese Heimat gibt zu der wir wie verlorene Söhne und Töchter (vgl. Lk.15) heimkehren können

Impulse

  • Gab es Situationen in meinem Leben, wo ich durch Erfahrungen wie Scheitern, Krankheit, Verlust, Entlassung…. mehr ich selbst geworden bin?
  • Ich meditiere die Bibelstelle Lukas 15, 11-32 (Gleichnis vom verlorenen Sohn)

(Text von Gustav Schädlich-Buter)