Kämpfen

„Das Leben ist hart“, früher oder später lernt dies wohl jeder. Um im Leben zu bestehen, gilt es den Lebenskampf aufzunehmen. Für manche beginnt dieser Kampf schon früh im Leben, Kinder und Jugendliche z.B., die mit ihren Eltern oder gar als Waisen aus Kriegsgebieten flüchten müssen. Manche müssen diesen Lebenskampf erst mühsam lernen, weil sie verwöhnt oder überbehütet worden sind und zufällig auf der Sonnenseite der Welt geboren wurden.

Aber irgendwann muss wohl jede und jeder, der leben will, sich diesem Lebenskampf stellen.

Der Lebenskampf muss gelernt werden und er trägt sich an unterschiedlichen Schauplätzen aus: in der Familie, in der Schule, im Beruf. Ich muss um die je eigene Identität als Mann oder Frau ringen, um ein für mich stimmiges, authentisches Lebenskonzept, um Rollen, in die ich hineinpasse; auch um die Loslösung und Abgrenzung von meinen Eltern ist mit Kampf verbunden. Ebenso müssen Eltern mit ihren Kindern ringen - besonders in der Pubertät, Grenzen müssen gesetzt werden trotz aller Widerstände und dann wieder erweitert werden. Und dann muss ich mich auch mit all den äußeren „Feinden“, die sich meinem Lebenslauf ganz unhöflich in den Weg stellen, auseinandersetzen und meine Grenzen schützen.

Und dann der Kampf gegen die inneren Feinde: Trägheit, Ungeduld, Maßlosigkeit, Gier, Habsucht, Geiz, Völlerei ... und wie sie alle heißen mögen. Die Bibel rät zur geistlichen Waffenrüstung (vgl. Eph.6, 10-20), um gegen jene verderblichen Mächte in mir zu bestehen. Ohne den Archetyp des „Kriegers“, der „Nein" sagen kann, werden wir süchtig. (R. Rohr, Vom wilden Mann zum weisen Mann, S.174 f.)

Für manche wird das Leben zum entscheidenden Überlebenskampf in einer schweren Krankheit. Auch mit Gott und meinem Glauben kann ich ringen wie Jakob am Jabbok. (Gen 32,23-33) Zweifellos ist es wichtig dem Lebenskampf nicht auszuweichen.

Zuweilen kann jedoch die Haltung und Bereitschaft zum Kämpfen zur Fehlhaltung werden, in welcher die Berührung mit dem Leben und mir selbst verlorengeht. Die Bereitschaft für etwas zu kämpfen kann zum Zwang werden: ich bin auf`s Kämpfen fixiert, ich kann mit dem Leben nur noch kämpfend in Kontakt treten, ich sehe überall Gegner, agiere Aggressionen blind und ziellos aus ohne dadurch Befriedigung zu erlangen, in mir ist keine Gelassenheit, ich stecke voller Negativität. Das Kämpfen führt zu keinem Ziel mehr, hat jegliche lebensförderliche Qualität verloren ... Und manchmal ist kein Halten mehr auf dem Weg, der in den Abgrund führt. Kämpfen kann zur Falle und Versuchung werden, selbst wenn es ursprünglich um eine gute Sache ging, um Recht und Gerechtigkeit, um Klärung oder einen reinen Tisch.

Der Weg des „Nicht-Kämpfens“ wird in unserer Kultur der Selbstbehauptung wenig gelehrt. Manche Paare merken, dass sie gegeneinander kämpfend in ihrer Partnerschaft nicht mehr weiterkommen. Ein Alkoholiker spürt, dass er mit all seiner kämpferischen Willensanstrengung seiner Sucht nicht Herr werden kann. Ein Vater merkt, dass all sein kämpferischen Einsatz um die rechte Erziehung, das genaue Gegenteil bei seinen Sohn bewirkt. Ein Schwerkranker fühlt, dass es jetzt nicht mehr um den Kampf zurück ins Leben geht. Kapitulierend merke sie alle, mein Kämpfen führt nicht mehr weiter.

Dieses „Nicht-Kämpfen“ hat nun aber gar nichts mit Apathie, Trägheit, Gleichgültigkeit, Konfliktscheu oder einer Aggressionshemmung zu tun. Es ist eine Form von Aktivität, in der ich weder kämpfe noch flüchte; eine Wachsamkeit, in der die automatischen Reaktionsmuster von Schlagen und Zurückschlagen unterbrochen werden; es ist ein Aushalten und Standhalten, sogar inmitten geballter Aggressionen. Voraussetzung für solch engagiertes Nicht-Tun ist die glaubende Öffnung meines Selbst auf ein Größeres (Gott) hin. Ähnlich dem 12 Schritte Programm des AA ließe sich das „Nicht-Kämpfen“ dann so ausdrücken: „Wir legen die Waffen beiseite und kommen zum Glauben, dass eine Macht grösser als wir selbst, uns helfen kann, und wir entschließen uns, unser wirkliches Leben der Sorge Gottes – wie auch immer - anzuvertrauen.“(vgl. J. Domek, Metanoia S.50)

Impulse

  • Welche Lebenskämpfe haben mich gefordert?
  • Habe ich schon einmal mit Gott gerungen? Ich meditiere dazu Genesis 32,23-33
  • Was ist für mich im Moment dran? Kämpfen oder Nicht-Kämpfen?
  • Kann ich mich kampflos Gott anvertrauen?

Literatur

  • Johanna Domek, Metanoia, 12 Schritte aus der Abhängigkeit, Münsterschwarzach 2001

(Text von Gustav Schädlich-Buter)