Ostern

„Ein Riss ist in allen Dingen, aber genau so kommt Licht hinein“ (engl.: There is a crack in everything, that`s how the light gets in), heißt es im Refrain des Liedes Anthem von Leonhard Cohen. (CD Future, 1992)

Kaum ein Lebensweg geht glatt, trotz allen guten Willen und Mühens von uns Menschen, kommen wir - um im Bild zu sprechen - zu Fall, drücken uns Lasten zu Boden oder schneiden Scherben unsere Haut auf. Überall auf der Welt: zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit und unschuldiges Leid.

Die „Brüche des Lebens“ reißen uns auf, reißen uns heraus aus dem normalen Alltag, lassen das Gewohnte zerplatzen, stellen uns mitten hinein in Unordnung und Chaos, in Angst und Verzweiflung.

Eine schlimme Krankheitsdiagnose, ein Unfall, Nächte auf der Intensivstation, Ungewissheit wie es weitergeht ... „Schwellenräume“ könnte man diese seelischen Aufenthaltsorte nennen, die auch in der Bibel beschrieben werden: Jona im Walfischbau, Hiob im Dreck nachdem er alles verloren hat, der von allen gemiedene Besessene von Gerasa in der Höhle oder Jesus am Kreuz. (vgl. dazu, Richard Rohr, Vom wilden Mann zum weisen Mann, München 2006, S. 105 und Adam´s Wiederkehr, Initiation und Männerspiritualität; Richard Rohr verdanke ich die wesentlichen Gedankengang des Textes)

Ein Schwellenraum ist ein Raum, in dem das Alte nicht mehr trägt und das Neue noch nicht sichtbar ist. Ein Übergangsraum, in dem sich die alten Gesetze, Regeln und Lebensmuster als nicht mehr gültig und brauchbar erweisen; auch mit Logik kommt man nicht mehr weiter.

Es ist die Erfahrung, ich habe nichts mehr in der Hand und keine Kontrolle über mein Leben.

Ich sehe die Bruchstücke meines Lebens, mein Scheitern, spüre meine Einsamkeit, Verlorenheit und Gottverlassenheit.

Gerade dies ist aber auch ein Ort, ein innerer Ort, der uns reinigen und öffnen kann, ein Ort, an dem die Wandlung der Seele vorbereitet wird.

„Ein Sprung ist in allen Dingen, aber gerade so kommt Licht hinein.“ Durch den Riss unseres Lebens, ja der ganzen Schöpfung (vgl. Röm 8, 18 ), will Licht dringen, Osterlicht. Vorausgesetzt wir sind zu Trauer- und Schattenarbeit bereit. Vorausgesetzt wir werden angesichts der Widerfahrnis, die uns trifft, nicht zynisch, verbittert und verschlossen. Vorausgesetzt wir versuchen nicht festzuhalten am Alten, am Vergangenen, an den gewohnten Vorstellungen und Planungen unseres bisherigen Lebens. Dann kann es passieren- und was passiert ist immer Geschenk: Licht vom ewigen Licht in unser Chaos, unsere Dunkelheit, unsere Trauer und unser Gelähmt-sein.

Durch den einst schmerzhaften Riss leuchtet Oster- und Auferstehungslicht in die Fenster unseres geöffneten Seins. Momente, in denen alle Ängste geschwunden sind und ich dankbar versöhnt sein kann mit mir, meinem Leben und der Welt wie sie ist.

Impulse

  • Welche Risse gab es in meinem Leben?
  • Was waren meine Schwellenräume?

(Text von Gustav Schädlich-Buter)