Trauer

„Selig die Trauernden ...“ (Matthäus 5,4)

Die ganze biblische Tradition, Jesus und die christliche Mystik wissen vom Wert und der Würde des Trauerns. Nicht nur die Bibel, auch die ganze christliche Mystik weisen darauf hin, dass die „Dunkelheit des Lebens“ für uns ein besserer Lehrer sein kann als jede Theologie, die uns schnelle Antworten serviert. Durch Jesus, Hiob oder die jüdischen Propheten erfahren wir, dass Schmerz und Trauer zum Leben gehören, einen Teil der Wirklichkeit ausmachen und Antwortversuche auf erlittenes Leid (lange oder immer) stumm bleiben.

Zugleich zeigt uns Jesus durch seinen eigenen Weg am Kreuz, dass der Schmerz, den uns das Leben zufügt nicht nur sinnlos ist und ins Leere schießt, sondern einen Identifikationspunkt bekommt; einen geheiligten Ort , an dem auch der Schmerz meines und unseres Lebens sich niederlassen darf und betrauert werden kann.

In unserer „macherischen“ Zeit aber sind die wenigsten erfahren und trainiert in Trauerarbeit. Trauern und Weinen gilt besonders bei Männern als Schwäche. Wer trauert, befindet sich in einem eigenen Raum - in einem „Schwellenraum“ (Richard Rohr) -, in dem die Muster bisheriger Lebensbewältigung nicht mehr funktionieren, die alten Ich- und Bewusstseinsstrukturen aufgeweicht sind und durchlässig hin auf eine Tiefe, in der tiefste Dunkelheit und hellstes Licht gleichermaßen den Trauernden berühren können. Trauer fühlt sich für das Ego, das funktionieren will, wie eine Betriebsstörung an. Wer aber Trauer nicht zulässt und sich von ihr verwandeln und heilen lässt, wird hart, zynisch und womöglich gewalttätig gegen sich und andere.

Jesus ermuntert uns in der Bergpredigt, sich dem Schmerz in der eigenen Seele und dem Schmerz dieser Welt zu stellen , aktiv in ihn hineinzugehen:

„Selig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden“ – Trauer heilt den Schmerz in der Seele und hilft uns beim Loslassen, damit wir weitergehen können. Mancher Trauerprozess dauert sehr lange und es tut sehr weh, weil mir das Leben einen tiefen Verlust zugefügt hat.

Der Franziskaner Richard Rohr spricht davon, dass die Flutwelle des Verlustes gefühlt und erlitten werden will; solange das nicht geschieht, verstehen wir weder unsere innere noch die spirituelle Welt. Unser Schmerz, unsere Traurigkeit, die Tragödien unseres Lebens könnten uns ein Menge lehren, auch wenn wir niemals ganz sicher sind, was es genau ist und wir oft viel lieber davonlaufen und nicht fühlen würden.

Aber es scheint ganz evident: Menschen, die durch Schmerz, Leid und Trauer gegangen sind, sind weiter, tiefer, offener und barmherziger.

Impulse

  • Was habe ich im Leben verloren und ungenügend betrauert?
  • Was habe ich verloren und noch nicht losgelassen?
  • Was muss ich loslassen, damit ich meine „Reise“ fortsetzen kann?

Literatur

  • Richard Rohr, Hiobs Botschaft, Vom Geheimnis des Leidens München 2000
  • Klemens Richter (Hg.), „Unablässig leidet mein Herz“, Freiburg im Br.1992
  • Anselm Grün, Ich bleibe an deiner Seite, Sterbende begleiten, intensiver leben, S. 105-140, Münsterschwarzach 2010

(Text von Gustav Schädlich-Buter)