Konzept der Seelsorge für Eltern und KInder

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Vorwort

Die Begleitung von kranken Kindern gehört zum pastoralen Grundauftrag von Kirche. Gerade bei diesem Thema wird deutlich, dass das kranke Kind nicht ohne seine Eltern, ggf. seine Geschwister und Großeltern in den Blick genommen werden darf. Für die Seelsorge wie für alle möglichen Unterstützungssysteme besteht eine der größten Herausfo-derung darin, aktiv auf die Personen zuzugehen und nicht nur auf Anfrage zu reagieren. Der Kern der Botschaft der Kirche heißt, dass wir uns – begründet in unserem eigenen Anspruch und Auftrag – für das Leben des kranken Kindes und seines Umfeldes interessieren. Jede und jeder in dieser Situation soll wissen und spüren, dass Gott da ist, dass wir in der konkreten Situation Zeugnis geben von einem lebensbejahenden und lebenspräsenten Gott, der immer den je eigenen Lebensweg mitgeht.

Diese frohmachende Botschaft in den Krisen einer Krankheit und in existentiellen Nöten ein Gesicht zu geben, ist Auftrag und Arbeitswirklichkeit der Seelsorgenden, die sich gerade im Kinderkrankenhaus auf die Begleitung spezialisiert haben. Das Hingehen zu den kranken Kindern, das Zugehen auf die Eltern und das gesamte soziale Umfeld ohne einen medizinischen oder therapeutischen Auftrag ist aus der Erfahrung der Seelsorge heraus zentral, damit nicht die Krankheit im Mittelpunkt steht, sondern tatsächlich die Person selber, der junge Mensch, das Kind und die sich sorgenden Angehörigen. Die Veränderung der üblichen Vorgehensweise, dass der Betroffene sich Unterstützung selbst holen und aktiv werden muss, ist für die Seelsorge wesentlich, da so das Interesse am anderen aktiv deutlich wird und nicht nur ein abzurufender Dienst ist.

Die vorliegende Broschüre (PDF 4.5 MB) gibt Ihnen einen Einblick in den Alltag der Seelsorgenden in diesem besonderen Themenfeld und zwar nicht in Form eines Konzeptes, sondern durch Erfahrungsberichte, in denen der Leser mitgenommen wird in den Alltag. Das Lesen der sieben Fallbeispiele wird Sie vermutlich berühren, da es Begegnungen schildert, die bei Ihnen in der Regel nicht zum Alltag gehören, wohl aber zum Leben, das mit einer Krise beginnen, dessen weiterer Weg an wichtigen Entscheidungen hängen und das – auch bereits in jungen Jahren – zu einem Ende hier auf Erden führen kann.

Diesen häufig unfassbaren Lebensschicksalen eine Fassung zu geben, sich selber als Person als Haltepunkt in dem Unhaltbaren und Ohnmächtigen anzubieten, ist Aufgabe der Seelsorge. Von daher möchte ich diese Schrift zum Anlass nehmen, mich bei allen Seelsorgenden, die sich diesem Themenfeld widmen, meinen Dank auszusprechen, da sie durch ihre Präsenz in zahlreichen Situationen zum Segen für die Familien werden. Diese Spannung in für die Betroffenen nicht aushaltbaren, sinnlosen und unnatürlichen Situationen Gutes zu sagen – also Segen zu sein – wird in diesen Beispielen spürbar. Hilfreich ist aus meiner Sicht auch das mitgelieferte Glossar, um wesentliche Begriffe, die im Klinikalltag zentral sind, zu erläutern.

Das Hinschauen und Wahrnehmen dieser Lebensschicksale ist Auftrag der Kirche und letztlich jeder Christin, jedes Christen. Die Begleitung der kranken Kinder und ihrer Eltern ist Aufgabe und Herausforderung für alle, die an einen Gott glauben, der in sich selber Beziehung und somit dreifaltig ist.

Allen Autorinnen und Autoren Vergelt’s Gott für das Zeigen dieses wichtigen pastoralen Arbeitsfeldes und das gemeinsame Bauen an dem tragenden Grund für jedes Leben.

Dr. Thomas Hagen, Leiter der Abteilung Krankenpastoral

Einleitung

Wie kann ich Beistand für jemanden sein, der sich in einem Albtraum befindet?

Ausgangspunkt: Der Verdacht einer Erkrankung eines Kindes bedeutet für die Familie eine hochbelastende Akutsituation, die ambivalente Gefühle freisetzt. Gleichgültig um welche Schwere der Erkrankung es sich handeln mag, ist allen Eltern das Gefühl der Ohnmacht gemeinsam: Die Sorge um das Leben ihres Kindes; die Furcht vor möglichen Folgeschäden mit bleibenden Beeinträchtigungen; die Grenzerfahrung, selbst nichts tun zu können; die Überantwortung ihres Kindes an das behandelnde medizinische und therapeutische Team.

Das breite Spektrum der Kinderkliniken in der Erzdiözese München und Freising spiegelt die zahlreichen Facetten pädiatrischer Erkrankungen wider: https://www.krankenpastoral.de/vor-ort/

Das Lebensalter der Kinder erstreckt sich von der pränatalen Lebenssituation bis ins Erwachsenenalter.

Die Erarbeitung dieser Textsammlung war mühsam und anregend zugleich. Um manche Formulierung mussten wir sehr ringen und immer wieder einander erläutern, was genau sich dahinter verbirgt. Eine Vielzahl an Praxisanregungen nehmen wir aus dieser ausführlichen Reflexion unserer Arbeit mit.

Existentiell gewendete Seelsorge

Unsere Handreichung stellt keine theoretische Abhandlung dar, sondern ist aus der konkreten Arbeit entstanden. Ein Beispiel illustriert gut diese Vorgehensweise: Als der ärztliche Direktor bei der Anfrage nach einer Seelsorgsstelle für die sozialpädiatrische Klinik eine Absage erhielt, lud er den Bischof in die Klinik ein und legte ihm ein schwerbehindertes Kind in den Arm - seither gibt es dort eine Seelsorgsstelle.

Aus diesem Grund spielen die Fallbeispiele die zentrale Rolle. An ihnen wird die Art und Weise unseres Arbeitens deutlich. Basis und Verständnishintergrund werden durch das Glossar (vgl. fettgedruckte und mit Kapitälchen versehene Begriffe in den blau hinterlegten Kästen der Fallbeispiele) ergänzt. Die Fallbeispiele stammen von verschiedenen Seelsorgenden aus diversen Kliniken. Die Namen der Familien und Patienten sind verfremdet.

Die Grundaufgabe des Seelsorgenden ist das Zuhören: Ich habe Interesse für deine Situation. Ich habe Zeit. Dies realisiert Seelsorge vor Ort durch Gespräche und Rituale.

Die Grundhaltung des Seelsorgenden ist ein unvoreingenommenes, nicht wertendes, offenes Gesprächs- und Begegnungsangebot. Seelsorge kann nicht als Teil des medizinisch-therapeutischen Heilungsprozesses verordnet werden. Sie will mit Offenheit, Mitgefühl und Anteilnahme die Menschen in der Klinik begleiten. Die Empathie des Seelsorgenden lebt aus der Heilszusage Gottes, ein „Da-Seiender“ im Leben eines jeden Menschen zu sein.

Die Seelsorgenden stellen sich deshalb den Patienten und Angehörigen zum Gespräch auf den Stationen zur Verfügung. Sie arbeiten unmittelbar und ohne Konsile, d.h. sie müssen nicht von den Ärzten oder dem Pflegeteam angefordert werden. Die Vermittlung zu Gesprächen geschieht durch Funk, Telefon, Anfragen oder auch Eigeninitiative.

Im Rahmen gegenseitiger Hilfestellung können unter Berücksichtigung der Schweigepflicht bzw. der Verschwiegenheit anderen helfenden Professionen Informationen zur Verfügung gestellt werden. Das geschieht in psychosozialen/spirituellen Besprechungen auf Station, Übergabegesprächen, in den interdisziplinären Teams oder in Tür- und Angelgesprächen.

Des Weiteren stehen die Seelsorgenden auch den Mitarbeitenden als Gesprächspartner zur Verfügung und begleiten diese bei berufsbezogenen, persönlichen wie spirituellen Fragestellungen. Auch Veränderungen in den Kliniken werden zu Gesprächsthemen, zukunftsfähige Behandlungskonzepte und Existenzsicherung der Häuser, aber auch Konkurrenz und Profilierung von Mitarbeitenden.

Außerhalb der Stationen gibt es in Kliniken je nach Standort und Selbstverständnis des Hauses auch noch weitere Räume der Seelsorge: Büros, Kapellen und Kirchen, Räume zur Verabschiedung verstorbener Patienten. In allen Räumen können christliche Rituale gefeiert werden.

Zur Abrundung der Angebote der Seelsorge gehören schließlich auch noch die Vernetzung zwischen den Disziplinen des Hauses und außerhalb, Verweise auf Selbsthilfegruppen, Trauergruppen und andere helfende Dienste.

Seelsorge im Kontext von Sozialpädiatrie hat andere Rahmenbedingungen als das Akutkrankenhaus. Darauf gehen die Fallbeispiele 3 und 4 und das Stichwort „Seelsorge im Kontext von Sozialpädiatrie“ im Glossar ein.