Ansehen

„Ich schaue nicht mehr so viel in den Spiegel; denn die Augen mit denen man sich selber anschaut, sind nicht die Augen, in denen man am besten aufgehoben ist“

sagt die Schauspielerin Hanna Schygulla. Der Blick, der uns anklagt und dem wir erbarmungslos ausgesetzt sind, trifft uns eher und wir glauben ihm schneller als dem Blick der Güte, der uns birgt und rettet.

Oft genug stehen wir Menschen vor dem verurteilenden Gericht unserer eigenen Augen- so ließe sich Hanna Schygulla interpretieren - verloren, verängstigt und eingeschüchtert als Versager da. Blicke, auch die eigenen, die nicht zum Guten und Positiven eines Menschen vordringen, können kleinmachen, zerstören, sogar vernichten. Wie wir uns selbst anschauen und wie wir angeschaut werden spielt bis ins Innerste unserer Seele hinein, zum Guten und zum Schlechten.

Gott sei Dank, gibt es ein Angeschaut-werden, das uns aus der Vereinsamung befreit und herausholt aus dem Erleben, wertlos, nichtsnützig und unwürdig zu sein.

Liebevolles Anschauen kann Menschen heilen, wertschätzen, würdigen und wandeln. Schon in der Bibel hören wir davon:

Zachäus, ein Gauner, klein von Gestalt und geldgierig, so lesen wir im Lukasevangelium (Lk 19,1-10), wird von Jesus so angeschaut, dass er sein Leben ändert und das begangene Unrecht wieder gutmacht. Das Besondere an dieser Geschichte ist, dass das moralische Handeln - Zachäus zahlt das ergaunerte Geld zurück - eine Folge davon ist, dass sich dieser kleine Mann, der sich durch Geld wichtig machen will, durch und durch angenommen weiß.

Wer liebevoll angeschaut wird, verliert seine Scham und wird gestärkt in seinem Selbstwert. Umgekehrt tut sich jemand, der als Kind nicht genügend An-sehen bekommen hat, schwer einen soliden Stand in sich zu finden. Und so muss er dann oft ein Leben lang um dieses Ansehen, das Selbstwert „schenkt“, kämpfen ohne jemals an sein Ziel zu kommen.

Wir Menschen können unsere Schönheit und Würde im gütigen, liebevollen und erbarmenden Blick des anderen Menschen und im Blick Gottes erkennen.

Nichts kann unser Leben retten außer ein Blick der Liebe, den ich mir niemals erleisten kann, sagt F.Steffensky. Im Gebet liefere ich mich diesem Blick der Güte aus, der auf mir ruht.

Impulse

  • Nehmen Sie sich Zeit, schenken sie sich Ansehen und schauen Sie mit einem gütigen Blick auf ihr Leben. Schreiben Sie auf, was Sie alles an sich wertschätzen.(z.B. Charaktereigenschaften, Fähigkeiten, Werte, ...)
  • Überlegen Sie, wem Sie heute wertschätzend begegnen wollen.

Literatur

  • Fulbert Steffensky, Der alltägliche Charme des Glaubens, Würzburg 2002

(Text von Gustav Schädlich-Buter)