Fasten

Maßlosigkeit und Gier fressen sich zunehmend in die geistige Verfassung unserer Gesellschaft hinein. Das Individuum ist immer weniger bereit Grenzen zu akzeptieren und anzuerkennen, da nahezu alles irgendwie machbar ist. Kaum einer frägt nach dem Sinn und den Folgen dieser Entgrenzung. „Ich kenne zwar das Ziel nicht, aber ich bin als erster dort“, lautet ein Spruch.

Wir fahren immer schnellere Autos, um Zeit zu sparen und habe zugleich immer weniger „Zeit, um zu „leben“, Zeit für Beziehungen oder die Familie.

Wir müssen immer „weiter“, kostspieliger und exklusiver im Urlaub verreisen, und bleiben doch „zappelnde Nichtstuer“(K. Tucholsky), die weiter unruhig an ihre Geschäfte denken oder die freie Zeit mit möglichst vielen Aktivitäten zustopfen.

Die Werbung ermuntert und suggeriert uns permanent "mehr", "neues", "anderes" zu kaufen (auch wenn wir davon gar nichts brauchen) und schürt dadurch maßlose Bedürfnisse.

Unsere postmoderne Gesellschaft hat keine klaren Maßstäbe und Strukturen mehr, an denen man festmachen kann, dass man angekommen ist.

Angesichts dieser „Zeichen der Zeit“ kann die christliche Tradition mit der 40tägigen Fastenzeit zumindest ein Appell sein, sich in Richtung „Mäßigung“ zu bewegen. Für den Mönchsvater Benedikt war das gesunde Maß in der Lebensführung zentral, weil er wusste, dass der Mönch ebenso wie viele in unserer Gesellschaft anfällig sind für Sucht und Gier; dass wir innere Leere zustopfen mit Essen, Trinken, Fernsehen, Arbeit, oberflächlicher Beziehung, Geltung, Profilierungssucht und Geldverdienen. Benedikt ging es in einer Zeit der Auflösung und des Verfalls aller bislang gültigen Maßstäbe darum, das Leben so zu ordnen wie es der Schöpfung Gottes entspricht und dem Menschen zu einem gelingenden Leben verhilft („Wer ist der Mensch, der das Leben liebt und gute Tage zu sehen wünscht?“(RB Prolog 15) Es geht um einen Weg zum Leben. (vgl. A. Grün, Benediktinische Schöpfungsspiritualität, Münsterschwarzach 1996 und Benedikt von Nursia, Meister der Spiritualität, Freiburg im Br. 2002)

Die Fastenzeit ist gedacht als Zeit, in der wir innerlich und äußerlich wieder in Ordnung kommen. Verzichten lernen (auf was auch immer), um wieder genießen zu können. Innere Leere aushalten, um wieder in Berührung mit der wahren Sehnsucht zu kommen. Aus der kapitalistischen Steigerungsspirale des immer „Mehr“ aussteigen, um wieder das gesunde Maß zu entdecken, um wieder klar zu sehen, was brauche ich und was nicht. Grenzen zu akzeptieren und Lebensordnungen einzuhalten, nicht um ihrer selbst willen, um des Lebens willen; aber auch der Kinder wegen, für die wir Verantwortung tragen und deren Seele bedroht ist durch eine Gesellschaft, die geprägt ist durch Maßlosigkeit; Gier, innere Leere und emotionalem Durcheinander. Jede und jeder von uns kann in seinem Umfeld und auf seine je eigene Weise mitwirken am Aufbau einer heilsamen und „Grenzsteine“ akzeptierenden Lebenskultur, um Hoffnung einzupflanzen in die nachkommenden Generationen.

Impulse

  • Worauf könnte ich in meinem Leben verzichten?
  • In welchem Bereich meines Lebens, könnte ein „weniger“ ein „Mehr“ bedeuten?

Literatur

  • H.E.Bahr, Anders Leben, überleben. Die Grenzen des Wachstums als Chance zur Befreiung. S. Fischer Verlag TB, Frankfurt /Main, 1980
  • A. Grün, Benediktinische Schöpfungsspiritualität, Münsterschwarzach 1996 und Benedikt von Nursia, Meister der Spiritualität, Freiburg im Br. 2002

(Text von Gustav Schädlich-Buter)