„Leben aus dem Tod“ - von Anselm Grün

(Lit.: Anselm Grün, Leben aus dem Tod, 5.Auflage, Münsterschwarzach2001)

Der Benediktiner Anselm Grün erinnert in seinem Büchlein an die philosophische Lehre von der Unsterblichkeit der Seele wie sie Plato formuliert hat und die zeigt, dass im Menschen etwas Unzerstörbares ist. Christen glauben jedoch nicht nur an die Unsterblichkeit der Seele, sondern dass Gott selbst in der Auferstehung der Toten an uns wirkt und uns verwandelt. Weil Gott mich liebt, bin ich als Person und weil die Liebe Gottes den Tod übersteigt, werde ich als Person auch im Tod nicht vernichtet.

Im Dogma von der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel bekennt die katholische Kirche, dass wir mit Leib und Seele auferstehen. Dabei sehen die meisten Theologen die Auferstehung des Menschen unmittelbar nach dem Tod.

Das jüngste Gericht ist nicht ein eigener Akt Gottes am Ende der Zeiten, sondern macht nur offenbar, was im Tod des einzelnen geschieht. Lohfink drückt das so aus: Indem ein Mensch stirbt und eben dadurch Zeit hinter sich lässt, gelangt er an einen Punkt, an dem die ganze übrige Geschichte gleichzeitig mit ihm an ihr Ende kommt.

Auferstehung des Fleisches meint auch die Hoffnung für die Pflanzen und Tiere, Hoffnung für die gesamte Natur. Aber das Ende der Welt bezieht sich nicht nur auf eine gesellschaftliche und kosmische Ebene, sondern drückt auch eine innere Erfahrung aus:

Im Tod kommt die Welt mit ihren Gesetzen von Anerkennung und Leistung an ein Ende. Da wird die Welt mit ihren Maßstäben, dass die Stärkeren über die Schwächeren siegen, entmachtet. Da hat die Vergänglichkeit und Sterblichkeit, da hat die Not und Plage ein Ende:

Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen (Offb21,4)

Mit Leib und Seele in den Himmel kommen

Wie sollen wir verstehen, dass wir mit Leib und Seele in den Himmel (wie am Fest Mariä Himmelfahrt gefeiert) aufgenommen werden?

Der Leib gehört wesentlich zum Menschen, zu unserer Person, zu unserer Geschichte, zu unserem Mitsein. Im Leib sammeln sich alle Erfahrungen, die wir während unseres Lebens machen. Der Leib ist der Gedächtnisspeicher, in dem sich Freuden und Schmerzen, Ekstase und Verzweiflung, Liebe und Hass einprägen. Im Leib drücken wir unsere Gefühle aus. Lieben heißt immer auch, leibhaft lieben....Mit dem Leib können wir zärtlich sein oder hart. Im Leib empfinden wir Trauer und Freude, Schmerz und Lust. Der Leib ist das Tor zum anderen....Gemeinschaft geht immer über den Leib. Wenn wir mit Leib und Seele in den Himmel kommen, dann heißt das, dass alle unsere Erfahrungen (Beziehung, Liebe, Hoffnung, Sehnsucht..), die wir während unseres Lebens hier auf der Erde machen, in Gott hineingenommen werden. Der ganze Mensch mit seiner Sinnlichkeit oder solidarische und kommunikative Mensch) wird in Gott hineingenommen.

Himmlischer Leib/Auferstehungsleib

Mit Leib und Seele in den Himmel kommen, das bedeutet nicht, dass dieser Leib, in dem wir jetzt leben, ewig fortleben wird, dass etwa der Amputierte ewig so sein wird. Der Leib, den wir mit uns herumtragen und an dem wir oft genug auch leiden, wird im Grab verwesen.

Der verwandelte, himmlische Leib wird ein Leib sein, der ganz und gar vom Geist durchdrungen und verwandelt ist. Es wird ein Leib sein, der mit seinen Sinnen fühlen und spüren, lieben und sich freuen kann. Dann wird unser Leib das unverfälschte Bild Gottes nicht mehr verstellen. Es wird ein Leib sein, der ganz und gar das Innere ausdrückt.

Weltbezug der Verstorbenen

Dass wir mit Leib und Seele auferstehen werden, sagt noch etwas anderes. Wir werden im Tod nicht in einen rein geistigen Raum hinein sterben. Der Leib besagt, dass wir auch nach dem Tod noch einen Bezug zu dieser Welt haben, nicht nur einen Bezug zur Gemeinschaft der Heiligen, sondern einen Bezug zu dieser Welt, zur Schöpfung, zur Natur und zu den jetzt lebenden Menschen.

Es gehört auch zu unserem Leben, dass wir die Verbindung mit den Toten pflegen. In der Heiligenverehrung haben wir eine Tradition guter Beziehungen zu den Toten entwickelt. Wir glauben, dass die Heiligen eine positive Wirkung auf uns haben, wenn wir zu ihnen beten.

(Text von Gustav Schädlich-Buter)