Erlöstes Dasein nach L. Boros

L. Boros Erlöstes Dasein, Theologische Betrachtungen ,1. Auflage Aschaffenburg 2001, Exzerpt und Zusammenfassung

Der Theologe Ladislaus Boros, Jg.1927, stellt in seinem Buch "Erlöstes Dasein" Meditationen vor, die die Themen Schöpfung und Leiblichkeit, Krankheit, Leid, Tod und ewiges Leben umkreisen

Leib-Seele-Einheit nach Thomas von Aquin

Boros beschäftigt sich zunächst mit dem Menschen als „Leib-Seele-Einheit“ wie sie von Thomas von Aquin entworfen wurde. Nach Thomas besteht der Mensch aus einem einzigen Wesen, in dem Materie und Geist die substantiell geeinten Prinzipien einer einzigen Ganzheit sind. Dabei ist die geistige Seele des Menschen die Form des Leibes bis in die letzten Fasern und Regungen hinein. Andererseits geht der Leib derart ins Geistige hinein, dass er zur inneren Vollkommenheit der Seele gehört. Der Leib ist gleichsam Ausfaltung der Seele, Selbstausdruck der Geistseele. Die Leiblichkeit ist also nicht durch eine akzidentelle Beziehung an die Seele geknüpft, sonder es handelt sich um eine Substanzeinheit. Der Mensch als eine einzige Substanz, die allerdings nur einem ihrer konstitutiven Prinzipien, nämlich der Seele, ihre Substantialität verdankt.

Zugleich gehört die Beziehung zur Leiblichkeit zur Wesenskonstitution der Geistseele. Ohne diese Beziehung ist die Seele keine Seele. Die Beziehung zwischen Leib und Seele ist eine transzendentale Relation. Die Seele entlässt mit innerer Notwendigkeit die Leiblichkeit aus sich selbst. Und umgekehrt verlangt der Leib mit innerer Notwendigkeit (die ihn zum Leib macht) nach der Seele.

Boros meint, dass von dieser abstrakt formulierten Lehre des Thomas eine umwälzende Theorie der menschlichen Liebe, der Medizin, der Freundschaft und überhaupt der zwischenmenschlichen Beziehung ausgesprochen wird. Erst durch diese Beziehung von Leib und Seele kann das Weltall im Menschen wirklich hinübergehen ins Geistige. Die Lehre des Aquinaten über die Leib-Seele–Einheit gibt die denkerische Grundlage zu sagen, dass im Menschen die Materie wirklich in Seinseinheit mit dem Geist trat. Erst durch diese Lehre können wir den eigentlichen Sinn und die Erklärung der Evolution formulieren: Im Menschen konzentrieren sich alle materiellen Energien des Weltalls und stoßen in die Sphäre des Geistes durch.(vgl. Teilhard de Chardin, Der Mensch im Kosmos) Für Boros ist also der menschliche Leib der Angelpunkt der Weltentwicklung.

Weiterentwicklung durch Augustin

Boros findet die thomasische Lehre über die Leib-Seele- Einheit erweitert und vertieft durch Augustinus, der von einer Leib-Seele-Gnade Einheit spricht. Augustinus beschreibt das menschliche Lebensganze in dem Satz: Das Leben des Leibes ist die Seele, das Leben der Seele aber Gott. Während der erste Teil des Satzes nicht über Thomas hinausführt, ist der zweite Satz revolutionierend: die menschliche Seele wird erst von Gott her lebendig. Diese Lebendigkeit heißt Gnade. Erst jene Seele, die ihre Gottunmittelbarkeit bewusst und liebend nachvollzieht, lebt wirklich und kann das Leben zum Leib hinübertragen. Das bedeutet: dass ein von Gott begnadeter Mensch in allen Strukturen seines Wesens zur Offenbarung Gottes zum Zeugen des Unsichtbaren wird.

Der Sündenfall als Stauung des Entwicklungsstromes auf Gott hin

Boros weist nun daraufhin, dass der lebensspendende Strom der Gnade unterbrochen wurde durch die Sünde; dadurch büßte die Seele die Fähigkeit ein, sich im Leib vollends auszudrücken.. Der Sündenfall war eine Katastrophe nicht nur für den Menschen, sondern für den ganzen Kosmos. Denn der Drang des Universums nach Gott, das Strömen des Kosmos in das ewige Mitsein Gottes wurde durch ihn unterbrochen und gestaut. So hat sich die ganze Entwicklungsenergie des Weltalls im menschlichen Sein aufgestaut und wurde dort zu einer zerstörenden Macht. Diese Stauung der Energien erzeugte im Menschen einen Wirbel von Spannungen, Wallungen und Brandungen, die sich in unserem Bewusstsein als Rastlosigkeit, Unruhe, Grausamkeit und Gewalt ausdrücken und in der menschlichen Geschichte als Kampf, Krieg, Zerstörung und Hass.

Gott greift durch Jesus Christus in diese Welt ein

Um die Weltentwicklung wieder in Gang zu bringen, hat Gott radikal in die Weltwirklichkeit eingegriffen, wurde in Christus Mensch, ging hinein in den Tod und durchbrach den Damm der Welt. In seiner Auferstehung und Himmelfahrt führte Christus die Welt in die ewige Vollendung hinein, indem er uns eine neue Gottunmittelbarkeit möglich machte.

Der Mensch als seinshaft verwirklichte Einheit von Leib, Seele und Gnade, kann damit auf dem gleichen Wege heil werden, den Christus für uns beschritten hat: durch Tod, Auferstehung und Himmelfahrt. Wenn auch die Leib-Seele-Gnade Einheit für uns nur im Tode vollends zu verwirklichen sein wird, so besteht die Lebensaufgabe des Christen darin, schon jetzt davon Zeugnis abzulegen, in einem geduldigen Reifen mit Seele und Leib auf Gott hin.

Zerrissener und entfremdeter Leib durch eine kraftlose Seele

Für Boros gründet unsere irdische Zerrissenheit in unserer Leiblichkeit (nicht platonisierend gemeint), in dem Sinne, dass wir in eine uns noch fremde Leiblichkeit gebunden sind, die von der Kraftlosigkeit unserer Seele herrührt, die ihre Lebendigkeit von der Gnade her verloren hat. Boros erläutert diese Fremdheit unter drei Aspekten:

(1) Die Begrenzung des Lebens

Durch die Gemeinschaft (Eltern, Umwelt, ...) bekommt der Mensch einen großen Teil seiner Gedanken, Gefühle, Wertungen und Reaktionen auferlegt, ein Bündel von vorausbestimmten Handlungsmechanismen, die tief ins Unbewusste reichen. Seelische Verwicklungen wurden in ihm angelegt, Vorurteile , Maßstäbe des Wertens, Weisen des Sich-verhaltens, Dressate also, die sich zu Handlungsmechanismen verdichteten. So entstand langsam ein Fremdmaterial. Aufgrund des Gnadenverlustes der Seele durch die Abwendung von Gott, besitzt er jedoch nicht mehr die Lebendigkeit den fremden Leib zu sich selbst heimzuholen. Er vermag die Fremdheit, das Schwere und die Undurchsichtigkeit seines Körpers nie ganz zu überwinden. (Lebensbegrenzung) Von seinem eigenen Seinsgrund getrennt, hat das Sein keinen festen Stand mehr, es fehlt die ursprüngliche Kraft, den Leib zu durchseelen und in das eigene Selbstsein hinüberzunehmen. Die Ursache der Selbstentfremdung liegt im Geist, der zu schwach ist, den Leib (in seiner Dumpfheit, Undurchdringlichkeit und Widerständigkeit) zu sich emporzuheben. Nicht Befreiung vom Leib, sondern Befreiung des Leibes durch Befreiung und Ermächtigung des Geistes ist darum die Rettung. Es geht um eine Rückkehr zu Gott als dem Grund des eigenen Seins, um zu sich selbst zu kommen.

(2) Verlust der allkosmischen Gegenwart

Unsere diesseitige Leiblichkeit schafft für den Menschen nicht nur eine Lebensbegrenzung, sondern auch ein Raumbegrenzung. An sich müsste der Geist die dreidimensionale Räumlichkeit durchmessen, allkosmisch sein; diese Fähigkeit hat die Geistseele verloren, da sie aus der Gegenwart Gottes, die das ganze Weltall erfüllt, herausgefallen ist.

(3) Folge von Zeitmomenten statt Dauer

Die Unfähigkeit des Geistes den Leib zu durchdringen, bedingt auch eine Zeitbegrenzung unserer Personen, der Geist lebt „materiell“ in einer Aufeinanderfolge von Zeitmomenten (statt in der unaufhörlichen Gegenwart Gottes)

Überwindung der Grenzen durch Jesus Christus

Nach Boros werden alle diese Grenzen des menschlichen Daseins in Christus überwunden. Die Grenzen der Leiblichkeit bestehen für den auferstandenen Christus nicht mehr, die Schranken des Raumes und der Zeit sind gefallen. Im auferstandenen Christus wird das Dasein aus den irdischen Grenzen, in die Ewigkeit, in die Unbegrenztheit des Lebens, des Raumes und der Zeit hinübergenommen. In Christus wurde die Welt in das ewige Sein Gottes hineingehoben. Er wirkt in unseren Weltbereich hinein als entzündende Glut.

Festzuhalten gilt: Die Seele schafft sich mit Naturnotwenigkeit einen Wesensausdruck in der Materie, kann also keinen Augenblick ohne Leib existieren. Karl Rahner kommt zur Annahme, dass das Leibfreiwerden der Seele im Tode nicht ein völliges Ausbrechen aus der Materie bedeutet, sondern dass im Gegenteil gerade durch den Vorgang des Todes sich für die Seele eine neue wesenhafte Nähe zur Materie ergibt, also eine Bezogenheit zur Stofflichkeit.

Der Tod als Abstieg zum Herz der Welt

„Der Tod wäre demnach der Abstieg zum Mutterboden der Welt, zur ursprünglichen Einheit der Wirklichkeit, wo alles zentral verknotet ist, wo alle Dinge wie aus einer Wurzel leben, in das Unterste, Tiefste und Wesentlichste der Wirklichkeit....Man könnte dieses Zentrale der Welt mit dem Urwort Herz beschreiben. Mit dem Tod gelangt die Seele ins Herz des Universums.“ (S.45)(allkosmischer Weltbezug).

Boros möchte jedoch nicht bei dieser Deutung stehen bleiben und er schließt eine christologische Deutung an: mit der Auferstehung Christi wurde der Raum für alle Menschen grundsätzlich eröffnet ... . Die Auferstehung findet sogleich im Übergang des Todes statt; diese Auferstehung ist aber noch nicht vollendet. Der auferstandene Leib bedarf des umgewandelten, verklärten Kosmos als seines Wesensraumes. Wir können also unsere Auferstehungsleiblichkeit erst in ihrer vollen Entfaltung leben, wenn die Welt in ihre Verklärung eingetreten ist. (vgl. die Endzeitaussagen der Offenbarung)

Was ist also der Auferstehungsleib?

Wir wissen es nicht. Wir wissen nur, dass der Auferstehungsleib der vollkommene Ausdruck einer mit Gott ewig verbundenen Geistseele sein wird.

Ein solcher Leib kann kein Leid erfahren. Gott wird das ganze Menschenwesen, den Leib und die Seele, ganzheitlich durchdringen und durch alle Poren des menschlichen Daseins strahlen.

Wir werden mit allen unseren Sinnen Gott erfahren. Die Leiblichkeit wird in die erlebte Gottunmittelbarkeit hinübergenommen. Schauen, hören, schmecken, verspüren ... auf eine göttliche Weise ... eine göttliche Sinnlichkeit wird sich ausbilden.

Der Leib wird keine Schranke mehr bedeuten. Der Geist, von der Gnade zur endgültigen Lebendigkeit erweckt, wird im Leib er selbst sein können ... Der Geist wird unmittelbar dort existieren, wohin seine Liebe, seine Sehnsucht, sein Glück ihn hinzieht ... Der auferstandene Mensch ist der Erde schönstes Kind und zugleich ein Wesen, in dem Gott ruht.

Betrachtungen über den Tod

Boros schreibt:

„Was im Tod eines Menschen geschieht ist wunderbarer als seine Erschaffung. Es ist eine neue Geburt. Warum ist dem aber so?.....Die Antwort lautet: Weil der Tod uns die erste Möglichkeit bietet, Christus gegenüber in voller Freiheit und bei klarstem Bewusstsein endgültige Entscheidung zu treffen.“

Boros Entscheidungshypothese

Boros führt die Entscheidungshypothese im Tod ein: Im Tod eröffnet sich die Möglichkeit zum ersten vollpersonalen Akt des Menschen; somit ist der Tod der seinsmäßig bevorzugte Ort des Bewußtwerdens, der Freiheit, der Gottbegegnung und der Entscheidung über das eigene Schicksal.

Das heißt: Erst im Moment des Todes könne der Mensch die Fremdheit seines Daseins ablegen; erst im Tod wird er seinsmächtig genug, um Christus ganzheitlich, mit allen Fasern seines Wesens zu begegnen und sich ihm gegenüber ganzheitlich zu entscheiden. Jeder Mensch habe im Tod die Möglichkeit zu einer vollpersonalen Stellungnahme und zur Entscheidung für Christus in ganzheitlicher Freiheit.

In dieser Hypothese müsse aber der Ausdruck „im Tod“ richtig verstanden werden:

„Es handelt sich (erstens) nicht um den Zustand „vor dem Tod“. Man kann wahrhaftig nicht annehmen, im Zustand von körperlichen und seelischen Qualen der Agonie, in der Stumpfheit des Sterbens setze jemand seinen ersten vollpersonalen Akt.

Es handelt sich aber (zweitens) auch nicht um den Zustand nach dem Tod. Unser ewiges Schicksal nach dem Tod steht für immer fest. Im Tod sind wir dermaßen endgültig geworden, dass nachher an dieser Endgültigkeit nichts mehr zu ändern ist. Es geht vielmehr um den Moment des Todes selbst.“ (S.90)

Im Tod, wenn die Seele zur reinen Geistigkeit erwacht, geschieht die klarste Christusbegegnung seines Lebens. Was im Tod (für oder gegen Christus) entschieden wird , bleibt in Ewigkeit. Erst im Tod entkommt der Mensch der allseitigen Beengung und Beängstigung und tritt in die Tiefendimension der Welt ein, in das Herz des Universums.

Tod als neue Geburt

Soll der Vorgang des Todes laut dieser Hypothese bildhaft beschrieben werden, so drängt sich das uralte christliche Symbol für den Tod, das Bild der Geburt auf. In der Geburt wird das Kind gleichsam gewaltsam aus der Enge des Mutterschoßes gedrängt, muss das Beschützende, Gewohnte, die Geborgenheit verlassen. Es wird einem ganzheitlichen Untergang ausgeliefert. Zugleich eröffnet sich ihm ein neuer Weltbezug, die Welt des Lichts, der Farben, des Mitseins und der Liebe. Im Tod geschieht ähnliches. Der Mensch erfährt im Tod einerseits einen gewaltsamen Entzug seiner Welt-Leiblichkeit, andererseits taucht er unter bis zum Wurzelgrund der Welt und erhält eine totale Weltpräsenz. Dieser Weltengrund ist seinem Wesen nach christusoffen, transparent auf den Grund alles Seienden.

Tod als Befreiung zur eigentlichen Freiheit

Im Tod geschieht ein radikaler Befreiungsprozess, von der Vielheit der Dinge, die Gott in unserem Bewusstsein kaum mehr Raum lassen, vom Besitz, von der Kraft, auch von Menschen, die er lieb hat, von seinen Hoffnungen und Träumen. Alle Masken müssen fallen und alle Rollen gehen an ein Ende.

Der Mensch wird durch den Tod ganzheitlich seinem Gott ausgeliefert. Seine Seele ist gleichsam hinausgerissen in die unendliche Ebene , wo nichts mehr ist als er und sein Gott.

Christus steht nun da, klar gesehen, leuchtend wahrgenommen und ruft den Menschen mit der Gebärde der erlösenden Liebe zu sich. Wenn sich der Mensch für Ihn entscheidet führt ihn das zum ewigen Glück und zur ewigen Vollendung. So ist die Entscheidung im Augenblick des Todes das Gericht selbst.

Tod als das besondere Gericht

Man wird nicht verdammt, ohne sich mit seinem ganzen Wesen, in völliger Klarheit gegen Christus entschieden zu haben. Ebenso wird man nicht vergöttlicht, ohne Christus in inniger Begegnung mit allen Fasern der Seele umarmt zu haben. Die Hypothese geht soweit, dass jeder Mensch, gleich ob Heide, Kleinkind oder Gotthasser einmal Christus dem Auferstandenen begegnet und sein Heil erlangen kann.

Praktisch religiöse Folgerung daraus heißt, dass wir alle wachsam bleiben müsse, dass wir auch im Tod die richtige Entscheidung treffen. Wir müssen uns durch die vielen kleinen Einzelentscheidungen unseres Lebens auf die große, letzte Entscheidung im Tod vorbereiten.

Tod als Fegefeuer

Der Reinigungsort ist keine riesige Folterstadt, kein kosmisches Konzentrationslager eines strafenden Gottes, in dem klagende Kreaturen sitzen. Das Fegefeuer lässt sich eher als ein augenblicklicher Vorgang , als Qualität und Intensität der sich im Tod vollziehenden Entscheidung denken. In dieser Perspektive wäre das Fegefeuer nichts anderes als der Durchgang durch das Feuer der Liebe Christi, der Vorgang der Christusbegegnung im Tod. Die aus dem tiefsten Wesen hervorbrechende Liebe muss dabei die Schichten und Ablagerungen der Selbstsucht überwinden (reliquiae peccati) Je härter und mächtiger die Ablagerungen sind, desto schmerzhafter wird auch der Durchbruch zu Christus sein.

Fürbittgebet

Wenn die Läuterung im Fegefeuer ein augenblicklicher Vorgang ist, warum sollen wir dann für unsere Verstorbenen beten? Kommt dann unser Gebet nicht auf jeden Fall zu spät an?

Nein, denn für Gott ist alles Gegenwart; der Tod jenes Menschen für den wir beten, und unser Gebet fallen für ihn zusammen.

Der Tod als Möglichkeit der Selbstverdammung

Verdammung ist immer nur Selbstverdammung. Christus beschränkt sich darauf, seine Liebe zu offenbaren. Im Angesicht der Liebe hat der Mensch über sich selbst zu urteilen. Wer zur Liebe Christi nein sagt, hat sich selbst schon verurteilt. Gericht ist nichts anderes als die Offenbarung der Liebe und die Entscheidung des Menschen gegenüber dieser Liebe.

Es gibt im Menschen eine heilige Vorbehaltenheit, die nicht einmal Christus anrühren will: die Radikalität der kreatürlichen Freiheit. Jegliche Entehrung der Freiheit wäre eine Beleidigung Gottes, des Schöpfers dieser Freiheit. Die Freiheit stellt in der Welt ein Absolutum dar, ist unberührbar, unmanibulierbar.

Hölle

Nicht einmal Gott kann etwas tun, wenn der Mensch im Tod sich gegen ihn ausspricht. Mit einem solchen Nein wirft sich der Mensch in eine unendliche Verlassenheit hinein. Die Hölle ist nicht eine äußere Strafe für eine begangene Sünde, sie ist die mit dem ganzen Wesen bejahte Zurückweisung der Liebe Gottes, ein unaufhörliches Sich-hinein-Begeben in die Gottesferne.

Die Trennung von Gott bedingt eine bis ins Innerste reichende Spaltung; der Verdammte haßt sein eigenes Wesen, das ihn nach Gott verlangen lässt. Es geschieht auch eine Trennung zum Weltgesamt: denn die Schöpfung trägt überall das Bild dessen, den der Verdammte radikal verneint. So lebt der Verdammte in einer Welt, die er als Feind empfindet und die ihn brennt.

Aus all dem geht hervor, dass die Hölle kein besonderer Ort ist, sondern die gleiche Welt in der auch die Seligen im ewigen Glück leben. Gott ist seinem eigenen Wesen nach, das Liebe ist, unfähig eigens einen schlechten Ort zu schaffen.

Boros entfaltet also die Hölle als Nein der Entscheidung im Tod, das zum ewigen Zustand wird.

Himmel

Umgekehrt ist Himmel nichts anderes als die zum Seinszustand entfaltete Entscheidung für Christus im Tod.

Wir erfahren den Himmel nicht als Schlussfolgerung abstrakter Überlegungen, sondern als Sinnzentrum unzähliger Hinweise und Zusammenhänge: als die Mitte unserer Treue, unseres Verlangens, unserer Liebe. Der Christ sollte sein ganzes Wesen und die ganze Welt seiner Erfahrung nach der Gegenwart des Himmels durchsuchen, auch wenn sie im einzelnen klein sein mögen wie Glasscherben, fügen sie sich zu einem wunderbaren Mosaikbild unserer ewigen Heimat zusammen.

(auf S.104 f., Boros , Erlöstes Dasein (Nachdruck) findet sich eine lesenswerte, wenn auch in ungewöhnlicher Sprache gehaltene, erlebnishafte Beschreibung dessen, was im Tod bis zur Neuwerdung in Gott geschieht.)

(Text von Gustav Schädlich-Buter)