Anselm Grün, Wunibald Müller - Was ist die Seele?

(Exzerpt und Zusammenfassung nur zum privaten Gebrauch aus: Anselm Grün, Wunibald Müller, Was ist die Seele? Mein Geheimnis - meine Stärke, S.74-98, München 2008)

Die Vorstellung von der Unsterblichkeit der Seele ist alt und übersteigt zugleich die Möglichkeiten unseres Denkens und unserer Sprache.

Wie soll man sich das Weiterleben der Seele vorstellen, wenn wir gestorben sind und unser Leib dann offensichtlich verwest?

In der Volkskunst wurde die Seele häufig als Seelenvogel dargestellt, die aus dem sterbenden Leib des Menschen entweicht.

Der griechische Philosoph Platon sieht in seiner Seelenlehre die unsterbliche Seele im Gegensatz zum sterblichen Leib. Plato postuliert die Präexistenz der Seele in Gott, die sich dann bei der Geburt in einem konkreten Menschen verkörpert. Allerdings sieht Plato den Leib als das Gefängnis der Seele.

Die griechischen Kirchenväter verknüpften dann Plato`s Idee von der Unsterblichkeit der Seele mit dem biblischen Glauben an die Auferstehung von den Toten.

Die protestantische Theologie wehrte sich gegen diese Vorstellung, da die Auferstehung das Werk Gottes sei. Im Tod stirbt auch die Seele und der ganze Mensch werde am Ende der Zeit von Gott aufgeweckt. Dadurch wurden alle Bilder und Vorstellungen vom Zustand des Menschen nach seinem Tod beseitigt, was viele Menschen dazu gebracht hat in anderen Religionen nach Vorstellungen von Tod und Fortleben nach dem Tod zu suchen. Viele fanden die Idee der Reinkarnation nachvollziehbar, womit wohl auch deren tiefe Sehnsucht nach dem Tod in irgendeiner Weise weiter zu leben, am besten gestillt wurde.

Anselm Grün sieht es als Aufgabe heutiger Theologie, die platonische Lehre von der Unsterblichkeit der Seele mit der biblischen Sichtweise von der Auferweckung der Toten zu verbinden. Ohne die Bilder und Erfahrungen, die in und hinter der philosophischen Lehre von der Unsterblichkeit der Seele lägen, könne man ja kaum glaubwürdig über die Auferstehung der Toten reden.

Das Alte Testament sieht eine Unsterblichkeit des Menschen, die nicht in seiner Natur liegt, sondern in seiner Beziehung zu Gott, in Gottes treue zum Menschen. Die Seele des Gerechten ist in Gottes Hand

Rabbi Harold Kushner sieht die Seele jene Teile unseres Seins repräsentieren, die nicht physischer Art sind: Wertvorstellungen, Erinnerungen, unsere Identität und Einzigartigkeit. Die Seele kann nicht krank werden, nicht sterben, nicht einfach verschwinden. Also ist sie unsterblich.

Wie ist das Leib-Seele Verhältnis überhaupt zu denken?

Das Verhältnis zwischen Leib und Seele ist nicht symbiotisch. Seele und Leib sind aufeinander bezogen, ohne dadurch ihre Selbstständigkeit und Bewegungsfreiheit zu verlieren.

Trotzdem sollte man Leib und Seele nicht auseinander reißen. Sie gehören zusammen. Aber die Seele zeigt die Dimensionen unseres Personseins, die nicht zerstört werden können, auch dann nicht, wenn der Leib stirbt. Die Seele ist an den Leib gebunden und übersteigt ihn zugleich. Die Seele muss wohl immer als Bezogensein verstanden werden: auf den Leib, auf andere Menschen und letztlich auf Gott. Wer in seinem Innersten bezogen ist auf Gott, kann aus dieser Bezogenheit nicht mehr herausfallen.

Was geschieht nach dem Tod mit Leib und Seele?

Die thomistische Seelenlehre in der Deutung Karl Rahner`s:

Rahner spricht vom Leibbezug der Seele. Im Tod trenne sich die Seele vom Leib, der einzige Augenblick, in dem die Seele ganz frei über sich verfügen könne und sich ganz frei entscheiden kann, für oder gegen Gott. Aber zugleich drückt sich die Seele wieder in einem Leib aus, einem verherrlichten oder verklärten Leib (Paulus spricht vom Auferstehungsleib)

Wenn die Seele sich nach dem Tod im Leib (vgl. die christliche Lehre von der Auferstehung von Leib und Seele)ausdrückt, bedeutet das, dass wir als Person zu Gott kommen, womit unsere geschichtlichen Erfahrungen von Freude Liebe, Trauer, die ja über den Leib gehen, eingeschlossen sind. Anders ausgedrückt: Ich, als Person kann nicht aus der Liebe Gottes herausfallen. Die Liebe ist stärker als der Tod. Gabriel Marcel sagt: „Lieben, das heißt zum anderen zu sagen: Du, du wirst nicht streben.“ Darin liegt auch der Unterschied zur Vorstellung, dass der Mensch und die menschliche Seele wie ein Tropfen im unendlichen Meer verschwindet und sich auflöst.

Auch die Vorstellung, dass wir uns nach dem Tod wiedersehen werden, setzt die Vorstellung voraus, dass die Seele sich auch nach dem Tod in verklärtem Leib ausdrückt.

Doch sollte man beim Vortragen dieser theologischen Thesen zurückhaltend und bescheiden bleiben, da wir über Vermutungen, Ahnungen und Bilder, die auf das Geheimnis weisen, wohl nicht hinauskommen. Bestenfalls können wir einige Gucklöcher entdecken durch welche ein Blick ins Jenseitige möglich werden könnte. Die Antenne, die das Nicht-Materielle erahnen und ertasten kann, ist wiederum die Seele.

Aber wie wird es wirklich sein, wenn ich sterbe? Wie können und dürfen wir uns das vorstellen? Letztlich gelten jenseits unserer Ahnungen die Worte des hl. Paulus:

Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was keinem Menschen in den Sinn gekommen ist: das Große, das Gott denen bereitet hat, die ihn lieben. „ (1 Kor 2,9)

Der Psychologe C.G. Jung sieht es als Gesetzmäßigkeit der Seele an, an die Unsterblichkeit zu glauben. Wer lauthals, wenngleich rational gut begründet, verkünde, nach dem Tod sei alles aus, verstoße gegen die Gesetze seiner eigenen Seele, werde neurotisch oder halte krampfhaft an seinem Ego (Erfolg, Ruf, Persona…) fest.

Thomas Merton über die Seele:

„Die Seele, die meine Substanz zusammenhält, eine harte Perle in der Höhlung der Muschel, wird eines Tages sich vollkommen hingeben.“

Die Seele als harte Perle in meinem Innersten, die jetzt alles (meinen Leib, meine Person) zusammenhält und sich eines Tages vollkommen hingibt (in meiner Vollendung). Eine vollständige Hingabe an Gott, an seine Liebe, ohne dadurch sich aufzulösen wie ein Wassertropfen im Meer (buddhistisch). Die Seele - so sagt Karl Rahner- wird sich auch nach dem Tod einen Leib formen, der sie vom Meer der Namenlosen unterscheidet. Die Aussage von Thomas Merton ist eine Aufforderung sich schon jetzt in der Hingabe zu üben: sich an den Augenblick hingeben, sich an Menschen hingeben, sich an Gott hingeben - dann werden wir dem Wesen unserer Seele gerecht.

Friedhofsaufschriften wie „Gedenket der Armen Seelen“ oder Redensarten wie „Nun hat die arme Seele Ruh“, ermahnen uns den Kontakt mit den Verstorbenen, besonders jenen, die uns nahestanden, nicht abreißen zu lassen. Aber auch, dass die Verstorbenen („Armen Seelen“) unseres Gebetes bedürfen auf ihrem Prozess des vollständigen Hingebens in die Liebe Gottes. Auf diesem Weg können wir die Verstorbenen mit unserem Gebet begleiten.

Anselm Grün benennt drei Wege auf denen Verstorbene zu unserer Seele sprechen:

  • innere Impulse, wo wir plötzlich spüren, dass der Verstorbene uns etwas sagen möchte.
  • Träume, in denen z.B. der verstorbene Vater auftaucht und mit einem Wort weiterhilft, ermutigt etc.
  • Äußere Zeichen; in der Trauerbegleitung erzählen Menschen von Zeichen, die ihnen die Verstorbenen geben. Ein Vater erzählt, dass am Beerdigungstag seiner dreijährigen Tochter die Lieblingsrose seiner Tochter aufgeblüht sei, zu einer Zeit, wo Rosen nicht blühen.

C.G. Jung spricht von einer Welt, „unus mundi“, in der wir in der Tiefe miteinander verbunden sind. Auch der Tod kann die innere Verbindung nicht aufheben. Es gibt eine Ebene der Verbundenheit von Menschen, die sich lieben über den Tod hinaus.

Der Kontakt mit den Toten geschieht auf die innigste Weise über meine Seele, welche die Brücke vom Diesseits zum Jenseits bildet. Wenn wir uns den Regungen und Impulsen unserer Seele überlassen, führen sie in das Reich des Ewigen, lassen die Verbundenheit mit der Welt der Toten spüren und uns einen Schritt weit auf die „andere Seite“ treten und durch für die äußere Person verschlossene Türen treten.

(Text von Gustav Schädlich-Buter)