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„Aber wie kann der Wind etwas sagen, wenn niemand zuhört“ (Thomas Merton, Trappist und Schriftsteller, 1915-1968)

Schon 1965 klagt der bekannte Dichtermönch Thomas Merton (1915-1968), dass unsere Welt so mit Lärm zugedröhnt ist, dass darin keine Stille und kein Platz mehr ist für das Alleinsein und für das Nachdenken über unseren Zustand; in unseren Herzen sei der Raum zugestellt, etwas zu hören, und es fände sich dort kein Platz mehr für etwas wirklich Neues, für eine Botschaft, die wir nicht schon kennen. Er schreibt:

„Die Nachrichten werden zum bloßen Lärm in den Ohren; sie treten kurz an die Stelle des vorausgegangenen Lärms und weichen alsbald dem darauffolgenden Lärm, so dass schließlich alles zu einem einzigen monotonen und sinnentleerten Geräusch verschwimmt. Etwas Neues? Es gibt pausenlos soviel Neues, dass kein Platz mehr für die wirklich neue Botschaft bleibt ... Die Zeit eines jeden ist besetzt von Zeitmangel, von Mangel an Platz, von Zeitsparen, von Eroberung des Raumes ...“ (The Time oft the End Is the Time of no Room, S.66. f., in: Thomas Merton, Zeiten der Stille, herausgegeben von Bernardin Schellenberger, S.90 f.)

Diese Gedanken von Thomas Merton stellen auch an uns die Frage, was uns alles besetzt hält, welcher Lärm von außen oder innen unsere Seele ausfüllt. Sehen und spüren wir noch die im Frühling aufbrechende Natur, die Knospen an den Bäumen, die verschieden farbigen Frühlingsblumen? Hören wir noch das fröhliche Gezwitscher der Vögel, die sich an der Wärme der ersten Sonnenstrahlen nach dem kalten Winter erfreuen? Oder halten uns die eigenen Gedanken gefangen, treiben uns die vielfältigen Alltagssorgen in die Ruhe- und Freudlosigkeit? Lernt von den Vögeln des Himmels und den Lilien des Feldes und gebt den Sorgen nicht zu viel Macht über euch, so lehrte es uns schon der jüdische Rabbi (Lehrer, Meister). Aber unsere Realität sieht oft anders aus. Haben uns nicht oft die Routinen des Lebens im Griff, die allzu gewohnten Verhaltensmuster, tagein-tagaus? Oder werden wir von einem angestrengten Willen auf ein Ziel hingetrieben, der es uns unmöglich macht, einmal innezuhalten und „hinaus“ zu schauen? Spüren wir uns selbst noch - den Atem, der durch uns hindurchfließt, das Herz, das unaufhörlich schlägt und uns am Leben hält ohne unser Zutun?

Der Dichter Thomas Merton spricht von der Stimme der Weisheit, die er in seinen Gedanken und Träumen weiblich personifiziert. Diese Weisheit, die als „unerschöpfliche Süße“ und als „unsichtbare Fruchtbarkeit“ in allen Dingen steckt, möchte wie eine Schwester zu uns sprechen, uns berühren und uns aus der Finsternis erwecken „in eine Wirklichkeit, die voller Zartheit ist“ und uns mit ihrer schöpferischen Kraft neu beleben ... Doch wie soll diese Verheißung und dieser Ruf bei uns ankommen, solange wir ohne inneren Raum sind, solange Pflicht- und Leistungsprogramme uns antreiben oder Verhaltensroutinen unser Leben erstarren lassen? Dieser Ruf der Weisheit erreicht nicht die Mächtigen, die mit sich selbst angefüllt sind, sondern eher die „Kleinen, ... die Unwissenden und die Wehrlosen ...“ Von ihnen könnten wir lernen.

Impuls

  • Thomas Merton`s Gedanken können eine Aufforderung sein auf immer neuen Lärm zu verzichten, immer wieder mal allzu glatte Abläufe und Routinen zu unterbrechen und auf die „Stimme des Windes“ zu lauschen, die allzu oft ungehört bleibt.

Literatur

  • Anselm Grün Stille im Rhythmus de Lebens, Von der Kunst allein zu sein und In die Stille finden, mönchische Erfahrungen für den Alltag 2008

(Text von Gustav Schädlich-Buter)